: Habibie im Regen stehen lassen
Diese Woche entscheidet sich die Zukuft des indonesischen Präsidenten Habibie. Chancen hat der Mann mit der großen Nähe zu Ex-Diktator Suharto nicht ■ Aus Jakarta Jutta Lietsch
Wenn Erziehungsminister Juwono Sudarsono über die politische Zukunft seines Landes philosophiert, wendet er gerne ein Paradox an: Schwäche, so sagt er, sei eigentlich Stärke.
Er meint seinen Chef, Präsident Bacharuddin Jusuf Habibie, den seine Gegner als politisch eher leichtgewichtig diffamieren. Das sei, so argumentiert Sudarsono, in Wahrheit doch ein Vorteil: Starke Politiker habe Indonesien schon genug gehabt. Was das Inselreich nun brauche, seien keine mächtigen und charismatischen Führer, sondern starke Institutionen, wie zum Beispiel ein demokratisches Parlament.
Habibies Zukunft entscheidet sich am Donnerstag. Dann muss er vor der „Beratenden Volksversammlung“ seinen Rechenschaftsbericht über seine 17monatige Amtszeit ablegen. Ganz sicher wird er seine Verdienste preisen. Dazu gehören eine fast unbeschränkte Presse und freie Wahlen. Unter Habibie hat das Militär sogar versprochen, sich in ein paar Jahren aus der Politik zurückzuziehen – auch wenn in der Praxis davon noch wenig zu sehen ist.
Doch seine Chancen, die Delegierten für sich einzunehmen, stehen schlecht. Die meisten Indonesier verbinden den Namen Habibie nicht mit der neuen politischen Offenheit, sondern mit den ungeklärten Schüssen auf demonstrierende Studenten, einem Bankenskandal, dem Verlust Osttimors und der zu großen Nähe zum gestürzten Diktator Suharto, der gebrechlich, aber unbehelligt in seiner Villa in Jakarta lebt.
Hartnäckig hält sich zudem der Verdacht, dass die Millionen in die ohnehin üppig gefüllte Kasse für die Wiederwahl Habibies geflossen sind. Der Preis für eine Abgeordnetenstimme bei der Präsidentschaftswahl soll inzwischen bei mehreren hundertausend Dollar liegen.
Anfang dieser Woche erhielt der Zorn der Opposition auf die Regierung neue Nahrung: Da gab die Staatsanwaltschaft bekannt, sie hätten Korruptionsermittlungen gegen die Suhartos „aus Mangel an Beweisen“ (siehe Interview rechts) eingestellt. Die Behörden konnten nichts Illegales daran finden, dass der frühere Präsident und seine Familie aus einem weitverzweigten Netz karitativer Stiftungen auch ihre eigenen Geschäfte finanzierten.
Die Untersuchung sei ein „Hohn“, wetterte der Vizevorsitzende der größten Oppositionspartei, der Demokratischen Partei Indonesiens Kampf, Kwik Kian Gie. Ein anderer Politiker erklärte, die Entscheidung habe auch noch „den letzten Rest von Vertrauen des Volkes in den Präsidenten und in seine Regierung zerstört“.
Auch in Teilen seiner eigenen Golkar-Partei ist Habibie unbeliebt. Ein starker Flügel wirft ihm vor, für das schlechte Ergebnis bei den Parlamentswahlen im Juni verantwortlich zu sein. Damals landete Golkar mit 22 Prozent abgeschlagen an zweiter Stelle hinter den Demokraten der populären Politikerin Megawati Sukarnoputri. Bei einem Treffen in Jakarta versuchten seine Gegner in der Partei bis gestern noch, ihn als Kandidaten für die Präsidentschaft abzusägen. Allerdings hatten sie ein Problem: Sie konnten sich nicht auf einen Ersatz einigen.
Falls die Volksversammlung Habibie morgen nicht entlastet, dürfte sein politisches Schicksal besiegelt sein. Eine Chance, wieder Regierungschef zu werden, hat er dann nicht mehr. Denn dieselben Abgeordneten würden ihn am 20. Oktober kaum zum Präsidenten bestimmen.
Was viele Beobachter in Jakarta verblüfft: Nach dem Schock der verlorenen Parlamentswahlen hatte die alte Regierungspartei erstaunlich flexibel reagiert: Sofort begannen ihre Führer, in den anderen Lagern nach Koalitionspartnern zu suchen, um zu retten, was zu retten war. Sie redeten mit allen.
Bei den muslimischen Parteien hatten Habibies Abgesandte Glück. Ergebnis: Inzwischen ist eine Art Allianz zwischen der so genannten Zentralen Achse aus mehreren muslimischen Organisationen und Golkar entstanden.
Ihre einzige Sorge: Was passiert, falls sie zu erfolgreich sind und Megawati bei der Präsidentschaftswahl durchfällt. Denn dann könnte es zu einem Aufstand der enttäuschten Indonesier in Jakarta kommen, die bei den Parlamentswahlen im Juni gehofft hatten, die alte korrupte Clique an der Regierung endlich loszuwerden.
Aber Präsident B. J. Habibie gibt nicht auf. In diesen Stunden feilt er an seinem Rechenschaftsbericht, während seine Abgesandten hinter den Kulissen versuchen, irgendwie doch noch die Stimmen für seine Wiederwahl zusammenzubekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen