: Unterm Strich
Das sind Zeiten! Christus kam nur bis Eboli, und Schloss Elmau war in Wirklichkeit bereits Basel, nur hat's keiner gemerkt, am wenigsten der Schweizer. Solches ergibt nämlich auf niederschmetternde Weise eine Recherche, nein, eher ein Zufallsfund des Tagesspiegels, der zufolge Peter Sloterdijks heiß diskutierter Elmauer Vortrag „Regeln für den Menschenpark“ in Wirklichkeit schon zur Zeit des höchsten Wellenschlags ein alter Hut war. Am 15. Juni 1997 hielt Sloterdijk das identische Ding vor 400 Zuhörern im Basler Theater im Rahmen einer Sonntagsmatinee. Der Schweizer saß und schwieg. Ob Restalkohol oder übergroße Gelassenheit oder gar Desinteresse die Ursache dafür war, dass Sloterdijks Beitrag „offenbar unkontrovers diskutiert“(Tagesspiegel) wurde, ist nicht mehr eruierbar, fest steht indes, dass Sloterdijk selbst kein Sterbenswörtchen über Basel und die dort herrschenden Verhältnisse inmitten der ganzen Aufregung um ihn und um ihn herum je über die Lippen kam. So war halt alles etwas geheimnisumwitterter, und auch die Sache mit dem Internet lief besser. 60.000 Zugriffe auf den Skandaltext, vermerkt S. mediawise im Nachwort der Suhrkamp-Edition der Elmau-Basler Rede, wie jetzt die Sprachregelung lauten wird.
Der doppelte Kafka: Nach jahrelangem Streit um die Nutzungsrechte des Nachlasses, können mündige Leser bald zwischen zwei Gesamtausgaben der Werke von Franz Kafka wählen: einer historisch-kritischen vom S. Fischer-Verlag und einer Faksimile-Ausgabe von Stroemfeld. Die Übereinkunft zwischen den beiden Konkurrenten beendet den seit 1995 tobenden „Kampf um Kafka“, wie die Feuilletons auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung titelten. Fünf Jahre lang hatte Stroemfeld-Verleger Karl D. Wolff für seine Idee gefochten, alle Schriften Franz Kafkas (1883 – 1924) in der Originalfassung veröffentlichen zu dürfen: Anhand der im Faksimile nachlesbaren Änderungen lasse sich die Entstehungsgeschichte der Kafka-Werke besonders gut verfolgen. Doch die Oxforder Bodleian Library, in der zwei Drittel des Nachlasses lagern, ließ den Frankfurter Verleger zunächst nicht ran. Grund: Der damalige Kurator der Bodleian Library, Malcom Pasley, war Mitherausgeber der Kafka-Ausgabe des Fischer-Verlags, für die Stroemfelds Version eine Konkurrenz bedeutet hätte. Im September 1999 dann die überraschende Wende: Dem Verlag gelang es, persönlichen Kontakt zu den Erben aufzunehmen. Michael Steiner, der Sprecher des Familienrats, stimmte der Veröffentlichung durch Stroemfeld zu. Damit scheinen auch die beiden konkurrierenden Verlage einen Waffenstillstand geschlossen zu haben: Die Projekte seien ganz unterschiedlicher Art, sagen jetzt Stroemfeld-Chef Wolff und Fischer-Sprecherin Margarete Schwind unisono. Na also!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen