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Fürwahr eine lebende Tragödie

betr.: „Panzerlieferung, die nächste“, taz vom 23. 10. 99

Wer sich noch daran erinnert, dass zu Zeiten des Kosovo-Krieges Tag für Tag schwerstes moralisches Geschütz aufgefahren wurde, um den Nato-Kriegseinsatz zu rechtfertigen, kann sich heute nur wundern, wie tief die Befürworter die Frage der Menschenrechte bei den geplanten Panzerlieferungen in die Türkei hängen. Da zählen weder Unterdrückung der Meinungsfreiheit, weder Folterung noch Gefängnis in der Türkei. Gegen die Menschenrechtsethik wird angeführt, die Türkei sei ja schließlich Nato-Partner und bald auch EU-Beitrittskandidat.

Das kann man wirklich nur als ganz perfides und taktisch-strategisches Verhältnis zu den Menschenrechten bezeichnen. Wenn sie einem in den Kram passen, benetzt man die Welt mit dicken Krokodilstränen, wenn nicht, pfeift man auf sie. Nehmen wir Scharping im Balkan-Krieg und Scharping heute: fürwahr eine lebende Tragödie.

Manfred Hartmann, Unna

[...] Mit seiner Haltung vernachlässigt der deutsche Bundeskanzler die seit vielen Jahrzehnten andauernden schweren Menschenrechtsverletzungen und die brutale Verfolgung des kurdischen Volkes in der Türkei und die massive Bedrohung der ganzen Region, die von dem aggressiven türkischen Militärregime ausgeht. Er fällt den Menschenrechtsorganisationen, die eine Demokratisierung der Verhältnisse anstreben, in den Rücken und bestätigt das türkische Regime in seiner Überzeugung, dass zu politischen Veränderungen kein Anlass bestehe.

Um einige Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie zu sichern, schlägt er alle bisherigen Grundsätze sozialdemokratischer Außenpolitik in den Wind und behauptet, die Lieferung des Testpanzers sei keine Vorentscheidung und die Voraussetzungen für das Panzergeschäft würden in zwei Jahren erneut geprüft. Aber wer keine Geschäfte machen möchte, schickt auch keine „Kostprobe“. [...] Wir Kurden bedauern es außerordentlich, dass die deutsche Regierung die bisherige antikurdische Politik nahtlos fortsetzt und damit die künftigen Generationen zahlreicher Staaten und Nationen mit unabsehbaren Folgen einer kurzfristigen Interessenpolitik belastet. [...]

Bruska Ibrahim, Ried

Die Debatte um die Lieferung eines Testpanzers in die Türkei ist zugleich ein grundsätzlicher Streit um die Stellung der Menschenrechte in der deutschen Außenpolitik. In der tagespolitischen Auseinandersetzung verblassen letztere allzu leicht gegenüber der Verteidigung einheimischer Arbeitsplätze und sicherheitspolitischer Ansprüche. [...]

Auf Einladung der Ärztekammer Diyarbakir konnte ich die Lage der vom türkisch-kurdischen Krieg Vertriebenen in der Stadt selbst erleben. Diyarbakir wuchs in der letzten Dekade von 350.000 Einwohnern auf 1,5 Millionen an. Die meisten dieser Neuzugänge sind Flüchtlinge, die in einem breiten Gürtel von Gecekondus, oft über Nacht gebauter Elendsunterkünfte, hausen. Diyarbakirs Stadtverwaltung ist wie die weiteren Städte durch die Folgen dieses rasanten Wachstums überfordert. Ganz zentral ist davon die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung betroffen. [...]

Positive Ansätze der Versöhnung sind zu beobachten. [...] Doch es bleibt festzuhalten, dass die türkische Regierung das Kriegsrecht in den vom Bürgerkrieg betroffenen Provinzen des Südostens nicht aufgehoben hat, noch Konzepte einer Aussöhnung mit dem früheren Feind vorgelegt hat.

Aber eine Gesellschaft nach einem Krieg braucht zivile Projekte des Wiederaufbaus, die schnell und mit einfachen Mitteln die drängendsten Probleme der Bevölkerung lösen. Infrastrukturelle Projekte, darunter die Entwicklung der Gesundheitsversorgung, müssen reale Hoffnung vermitteln. [...]

Nunmehr soll die Verbesserung der Menschenrechtssituation in der Türkei zum Maßstab des kommenden möglichen Leopard-Exports werden. Doch Menschenrechte erfüllen sich nicht per Appell, sie bedürfen aktiver Politik. Die bleibt die Bundesregierung uns und den Menschen in der Türkei bislang schuldig. [...] Die Menschen in der Türkei brauchen Joint Ventures für Frieden und Gesundheit und keine für die Rüstungsindustrie. Dr. med. Angelika Claußen,

Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges

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