Mit kleinen Brötchen aus dem Keller ins Loft

■ Nach dem 3:1 bei TeBe kämpft Cottbus' Coach Geyer tapfer gegen den Personenkult

Berlin (taz) – Normalerweise verliest Eduard Geyer seinen Katechismus im strengen Ritus. Der Star sei die Mannschaft, verbreitet er etwa. Doch die Fans halten sich nicht mehr an die Verkündigung Geyers. Die Cottbuser Energetiker hatten soeben 3:1 im Berliner Mommsenstadion bei Tennis Borussia gewonnen, da entdeckte die Fanmeute den Personenkult um den Trainer der Lausitzer. Die Huldigung begann mit einem Schlachtruf von Fan Peter. Der Mann aus Berlin hat seine Liebe zum Ostfußball entdeckt und skandierte „Hey, da kommt der Geyer, seht dort“. Darauf schalteten sich Kameralichter an, Stifte wurden gezückt. Der 55-Jährige stand im Blendlicht. Dann holte er seine Autogrammfotos aus dem Mannschaftsbus und sagte: „Leute, ich schicke auch zu.“

Aber damit gab sich keines der Groupies zufrieden. Also setzte Peter, der Fan, zum Monolog an. Er hatte sich gut vorbereitet, extra ein cremefarbenes Sakko angezogen, nur: der geborene Rhetor ist Peter nicht. Deswegen sagte Geyer auf Peters Hymnen immer nur „Ja ja“ oder „Okay, okay“.

„Herr Geyer, nervt sie das, dass ...“, fragte der Reporter. Die Frage war noch nicht beendet, doch Geyer antwortete bereits: „Ja, das nervt.“ Nein, wir wollten wissen, ob der Verein die Rolle des finanzschwachen Underdogs aus dem Osten gern mal abstreifen würde. Dem FC Energie fehlen im Haushalt ein paar Mark zu den 20 Millionen von TeBe. Während die Veilchenblauen mit Unterstützung der Göttinger Gruppe für Neueinkäufe 11 Millionen ausgeben konnten, ging Cottbus mit 180.000 Mark in die Vollen. „Berlin kann genug Fußball vertragen, es hat gar keinen Zweck, auf TeBe oder sonst wen neidisch zu sein, wir in der Provinz backen nunmal kleine Brötchen“, sagt Geyer.

Der Neidfaktor schwindet, wenn der Erfolg da ist. Cottbus, das Kellerkind der vergangenen Saison, jüngst noch aufgerieben im babylonischen Sprachgewirr zwischen afrikanischen, polnischen und deutschen Kickern, scheint ein schickes Loft-Appartment in der Zweitligatabelle zu beziehen. Geyer: „Wir denken immer nur von Spiel zu Spiel.“

TeBe wohnte schon in der Saison 98/99 ganz ordentlich. Noch ist es nicht das Oberhaus, aber die multilinguale Truppe von Coach Winfried Schäfer arbeitet am Aufstieg. Drei Punkte gingen am Samstag verloren, weil ein Mann an seiner Übermotivation scheiterte: Stürmer Uwe Rösler. Der schien sich in der Kabine vorbereitend einer Starkstromleitung zwischengeschaltet zu haben, derart aufgeregt agierte er auf dem Platz. Nach 17 Minuten schoss er per Kopf die Führung vor 9.000 Zuschauern (Stadionsprecher: „Solange ich zurückdenken kann, hat es das bei TeBe noch nie gegeben, Schlangen vor den Toren.“) Wenig später scheiterte er mit einem Elfmeter an Gästetorwart Piplica. In der 24. Minute schließlich sah Rösler die Rote Karte für ein Foul in des Gegners Hälfte. Dennoch gelang den Cottbusern erst gegen Ende des Spiels der Sieg. Schäfer verteilte ob der spielerisch und kämpferisch guten Leistung Komplimente. „Wir waren auch mit zehn Mann die bessere Mannschaft.“ Enttäuscht sei er, stehe aber nicht vor der Gefahr, in Depression zu verfallen, so Schäfer.

Kollege Geyer indes verfiel in strenge Exegese des Spiels. Wenn schon die Fans nicht zu bändigen sind und Götzen dienen, so wollte er wenigstens seinen Spielern den rechten Weg weisen. Er brauche ihnen nur die ersten Halbzeit auf Band zu zeigen, „dann kommen die ganz schnell wieder runter auf den Teppich. Der Sieg wird uns sicher nicht die Augen verklären“, verriet er. „Wenn man die Saison vorne stehen will, kann man so eine Leistung wie hier nicht bringen.“ Die Spieler durften sich diese Worte auf DSF im Fernsehen anhören. Vor den Ü-Wagen des Spartensenders standen sie Schlange. Eine kleine Andacht. Markus Völker