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Am Ende nur Tränen

Australien erstickt im Finale der Rugby-Weltmeisterschaft mit eiserner Defensive Frankreichs Hoffnungen  ■   Aus Cardiff Clemens Martin

Die Australier haben ein historisches Wochenende hinter sich, und sie scherzten auch schon darüber. Nach Ansicht von Witzbolden vom fünften Kontinent habe am Samstag nämlich John Eales der englischen Königin Elisabeth II. dazu gratuliert, dass sie weiterhin Australiens offizielles Staatsoberhaupt ist, nachdem im Referendum die Einführung einer Republik und ihre Ersetzung durch einen demokratisch gewählten Präsidenten vom Volk abgelehnt worden war. Dabei war die Sachlage völlig anders: Englands Queen überreichte am Samstag in Cardiff dem Kapitän der australischen Rugby-Nationalmannschaft den Pokal für den Sieger der vierten Weltmeisterschaft, nachdem die „Wallabies“ (Känguruhs) im Endspiel Frankreich mit 35:12 bezwungen hatten.

Man wird Königin Elisabeth II. aber sicher verzeihen, wenn sie einerseits zusammen mit ihrer in Cardiff ebenfalls anwesenden Tochter Prinzessin Anne (die selber begeisterte Rugby-Anhängerin und Ehrenpräsidentin des schottischen Verbandes ist) enttäuscht war über die Qualität des Endspiels. Andererseits aber auch Bedauern mit dem Verlierer hatte.

Australien mag zwar völlig verdient die Rugby-Weltmeisterschaft gewonnen haben. Darüber gibt es keinen Zweifel. Die „Aussies“ drehten dem gallischen Hahn regelrecht die Gurgel um, erstickten förmlich das Angriffsspiel der Franzosen. Aber überzeugen konnte nur die australische Abwehr.

„In der Defensive war Australien schlicht phänomenal“, schrieb die englische Sonntagszeitung Independent on Sunday gestern anerkennend, konnte sich aber Kritik am neuen Weltmeister nicht verkneifen: „Die Australier sind gut, erweckten aber nie den Eindruck, eine wahrlich große Mannschaft zu sein. Sie mögen sicher nicht der beeindruckendste WM-Sieger sein, aber gegen sie zu spielen ist unglaublich schwer.“

Das mussten auch die Franzosen einsehen, die eine Woche zuvor im Halbfinale für die große Überraschung gesorgt hatten und im Rugby-Spiel des Jahrhunderts die übermächtigen „All Blacks“ aus Neuseeland mit 43:31 bezwungen hatten. Neuseeland war der erklärte Titelfavorit.

Die Australier bewiesen im Endspiel erneut, dass sie die mit Abstand beste Verteidigung hatten. In acht Spielen mussten sie nur einen Versuch hinnehmen. Es darf als Kunststück und kleines Wunder betrachtet werden, dass dies ausgerechnet Juan Grobler vom Underdog USA gelang.

Im Finale hätte es sicher einen völlig anderen Spielverlauf gegeben, wenn nach einer Viertelstunde beim Stand von 6:6 der Versuch von Frankreichs Angriff Abdel Benazzi gültig gewesen wäre.

Voraus ging ein leider unglückliches, aber deutliches Vorwärtszuspiel des Balles. Der darf aber nur rückwärts gespielt werden. Darum konnte der Versuch nicht anerkannt werden. Es war das einzige Mal, dass Frankreich in Sichtweite der gegnerischen Malzone kam. Die Franzosen konnten ihr Angriffsspiel, mit dem sie gegen die All Blacks die Rugby-Experten begeistert und die Laien fasziniert hatten, praktisch nie entfalten. Dafür war Australien in der Defensive viel zu gut organisiert, stand zu diszipliniert.

Deswegen konnten es sich die Wallabies auch leisten, auf die Fehler ihres Gegners zu warten. Und die kamen, so sicher wie das Amen in der Kirche. Frankreichs Rugby leidet nämlich darunter, dass die Nationalspieler undiszipliniert werden, wenn es nicht läuft, dabei sogar zu Grobheiten neigen, etwa Kratzen in den Augen gegnerischer Spieler. Es war vor allem Matthew Burke, der diese Fehler bestrafte. Mit insgesamt sieben erfolgreich verwerteten Strafkicks (jeweils drei Punkte) und den beiden Zusatzkicks (zwei Punkte) nach den Versuchen von Flügel Ben Tune und des eingewechselten Forward Owen Finegan, erzielte Australiens Full-Back 25 der 35 Punkte für seine Mannschaft.

Für die Franzosen blieben am Ende nur Tränen. Sie hatten gehofft, ähnlich den Fußballern „La Grande Nation“ in einen Freudentaumel stürzen zu können. Darüber kann auch nicht hinweg trösten, dass sie im Halbfinale gegen Neuseeland die Art von Werbung für Rugby machten, die sich Veranstalterland Wales und der Weltverband IRB vom Turnier erhofft hatten.

Dennoch blieb, über das ganze Turnier hinweg betrachtet, das Rugby-Fieber aus. Grund dafür waren unter anderem die zu langen Pausen zwischen den Spielen, aber auch geringer Zuschauerzuspruch aufgrund überteuerter Eintrittspreise bei den Gruppenspielen in Schottland.

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