Doppelpass-Spiel mit dem sarkastischen Publikum

■ Europa-Verlierer Dortmund vermeidet Absturz beim 1:1 gegen Leverkusen

Dortmund (taz) – So weit ist es gekommen. Da singt die Südtribüne des Westfalenstadions „Wir holen den U-Uefa-Cup“, die Haupttribüne lacht sich kaputt und gemeinsam empfangen die auf den Steh- und die auf den Sitzplätzen dann ihre einlaufende Mannschaft mit einem Pfeifkonzert. Dabei hat Stadionsprecher Norbert Dickel gerade noch gefleht, „gebt der Mannschaft eine Chance“, und bekundet, auch er habe zwei Tage gebraucht, „das Scheißspiel von Porto zu verdauen“. Die BVB-Fans sind aber noch nicht so weit wie Herr Dickel. Sie brauchen dieses Spiel, um sich abzureagieren und über das Ausscheiden aus der Champions League hinwegzukommen. Denn weil die Niederlage in Porto ebenso überraschend kam, wie sie verdient war, ist es die Niederlage der „Scheiß-Millionäre“, und das sollen die sich jetzt auch erst mal anhören.

So fing es an, das Spitzenspiel des 11. Bundesligaspieltages. Man leckte seine Wunden. Auch auf der Gegenseite, nur dass Leverkusen etwas gefasster an die Sache heranging. Bayer ist zwar gleichfalls aus der Champions League geflogen und ebenfalls, weil sich die Mannschaft ab und an etwas dusselig angestellt hat. Aber der Leverkusener Anhang ist langmütiger als der Dortmunder. Vermutlich, weil er nicht so erfolgs- und titelverwöhnt ist. Langmut war eine Eigenschaft, die half, diese Partie zu überstehen, denn sie war schlecht und arm an Chancen.

Beide Seiten boten zwar drei Stürmer auf, aber das führte nicht zu großen Offensivbemühungen, sondern nur dazu, dass auf beiden Seiten auch vier Defensivkräfte beschäftigt waren. Blieben hier wie da noch drei Mittelfeldspieler, die alle in keiner großen Spiellaune waren. Besonders nicht bei Leverkusen, wo Trainer Christoph Daum die kreativeren Spieler zunächst auf die Bank setzte, weil nur ein Sieg in den vorausgegangenen neun Pflichtspielen ihn hatte erkennen lassen: „Wir haben in den letzten Wochen viel Lob für unser Spiel bekommen, aber die Ergebnisse stimmen nicht.“ Die Konsequenz war, nun den „kämpferischen Aspekt in den Mittelpunkt“ zu stellen. Also gingen dem Leverkusener Auftritt spielerische Anlagen ab. Und ganz nebenbei stiegen Kirsten – wie man ihn angelegentlich kennt – und Emerson – wie man ihn gar nicht kennt – übermotiviert in manche Zweikämpfe. Bayer hatte Glück, die Partie vollzählig zu beenden.

Anders als bei den Leverkusenern ist Kämpfen bei den Dortmundern eine Primärtugend. „Wir woll'n euch kämpfen seh'n“, forderte also die Südtribüne anfangs. Die Forderung blieb unerfüllt. Und als Leverkusen gar mit seinem ersten Angriff durch ein Tor von Kirsten in Führung ging, war es endgültig vorbei mit der Loyalität. Die Südtribüne höhnte „Oh, wie ist das schön ...“ Zwei Stunden später sollte Dortmunds Manager Michael Meier sagen, das „Doppelpass-Spiel mit dem Publikum“ sei wichtiger gewesen als es ein Sieg hätte sein können. Aus seiner euphemistischen Sicht hatte sich die Zuschauer („Westfalen sind nicht nachtragend“) irgendwann ausgetobt und mit den Stars versöhnt.

Wahr ist zumindest, dass Dortmunder Fans genauso schnell vergessen wie alle anderen auch. Und wenn sie ihren Millionären zwischenzeitlich die Freundschaft kündigen, dann doch nur bis die ihnen das nächste Tor schenken. Nach dem Rückstand dauerte es bis zu diesem Moment der Absolution nur zehn Minuten. Dann erzielte Addo das 1:1. Gemessen an den Chancen zuvor und denen, die noch folgen sollten, war es ein hoch verdienter Ausgleich. Trainer Michael Skibbe fand es daher später „schade, dass wir nicht gewonnen haben“. Er sah dabei aber nicht sonderlich enttäuscht aus. Enttäuschung ist derzeit wohl eher ein internationale Angelegenheit. „Im Bundesligabereich sind wir da, wo wir sein wollen“, teilte Skibbe mit.

Auch Bayer ist von Spitzenreiter Bayern München nicht allzu weit entfernt. „Nur drei Punkte“ rechnete Daum nach und war nachgerade selig: „Ich habe vorher gesagt, es ging nur darum, dieses Spiel zu überbrücken“. Jetzt ist in zwei Wochen Spielpause Zeit, die ausgelaugten Kader wieder aufpäppeln. Dann geht das Spiel um die Spitze von vorne los. Und im Gegensatz zu den dreifach belasteten Münchnern können sich Bayer und der BVB inzwischen ganz auf die Meisterschaft konzentrieren.

Katrin Weber-Klüver