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Von wegen, Herr im eigenen Haus

Mit Rimbaud gegen Ikea: Im Zeitalter des durchformatierten Konsumentendaseins schickt David Fincher in „Fight Club“ Brad Pitt und Edward Norton in die Arena und auf die Suche nach dem leidigen Selbst  ■   Von Anke Leweke

Da sitzt man mit dem neuen Yamamoto-Teil im Kino und bekommt prompt den eigenen Designertrieb unter die Nase gerieben. Ich bin der Yamamoto. Ich bin der CK-Slip, ich bin die Steppdeckengarnitur „Mommala“, ich bin der andere – der exemplarische Geschäftsbubi aus „Fight Club“ gibt sich als Rimbaud im Zeitalter der Marken und kommentiert aus dem Off das durchformatierte Dasein.

„Früher haben sie im Badezimmer Pornos gelesen, heute blättern sie den Ikea-Katalog durch.“ Und während der Erzähler (Edward Norton) noch auf dem Klo thront, richten sich die Abbildungen vom Sessel „Johannesshov“ bis zur Tischserie „Steg“ schon in seinem Wohnzimmer beziehungsweise Leben ein. Als augenzwinkernde Variante der totalen Markensymbiose aus Bret Easton Ellis' „American Psycho“ geht der Anfang von „Fight Club“ gut runter.

Vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen, vor lauter Labels die eigene Signifikanz nicht mehr erfassen und ganz platt: Entfremdung, ich hör dich trapsen. „Fight Club“ oder von einem der auszog, sich seinen Namen zu machen. Zunächst dienen Selbsthilfegruppen für unseren Erzähler als Schlupfloch aus dem Netz der Marken. Montags Knochenmarkschwund, dienstags Gehirnparasiten, mittwochs Tuberkolose etc. Jeden Tag, den die Woche werden lässt, gratuliert man sich in den Gemeinschaftsräumen von verranzten Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zur kollektiven Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit. Unter den Blinden ist der Einäugige König.

So hängt sich der Erzähler ans Leid der anderen, um sich seiner selbst zu vergewissern und sodann den Namen Cornelius anzunehmen. Was hier so binsenweisheitlich klingt, wird von David Fincher auch entsprechend verhohnepiepelt. Oder sind sie bei der Reise ins eigene Ich schon mal einem Pinguin begegnet? Fehlt nur noch Janis Joplins „Freedom is just another word for nothing left to lose“. Der Song würde jedenfalls gut zu den Kerlen aus der Hodenkrebsgruppe passen. „Wir bleiben Männer“ – vielleicht fühlt sich der Held deshalb so wohl in den Armen des dicken Bob mit den Weibertitten, kann er doch den Mangel des anderen ausgleichen. Er hat ihn, den Penis, und der beginnt sich zu regen, konkret wie symbolisch.

In Finchers „Seven“ waren es die sieben Todsünden, mit denen der Mörder versuchte, seinen brutalen Exzessen Sinn zu verleihen. Dieser Annäherung an das so genannte Böse über den Weg der christlichen Ikonographie entspricht in „Fight Club“ die Selbstfindung durch archetypische Männerbilder. Gerade sinniert der Erzähler angesichts der abgepackten Häppchen einer Flugzeugmahlzeit über portioniertes Leben, da springt ihm mit Tyler Durden genau jene geballte Ladung Virilität entgegen, die in ihm selbst aufbegehrt. Durden gibt die Vorstellung vom Mann. Mit Verweisen, die über den Film hinausgehen, denn „Fight Club“ heißt „Ich bin der Brad Pitt“. Einmal passieren Durden alias Pitt und der Erzähler ein Kino, in dem ausgerechnet das blondstrotzende Heldenepos „Sieben Jahre in Tibet“ läuft.

Vom Jedermann zum Mann. An dieser Dichotomie berauschen sich Film wie Protagonisten gleichermaßen. Tyler sagt: „Die Dinge, die du besitzt, besitzen am Ende dich.“ Tyler sagt: „Du bist nicht dein Job. Du bist nicht deine Khakihose.“ Also back to the roots: Nackte Oberkörper und schlagende Fäuste lassen nicht lange auf sich warten. Schon sind wir mittendrin im titelgebenden Schauplatz des Films, wo man mit dem Hemd alles abstreift, was man im Realen darstellt. Im derart entblößten Zustand schlägt Mann ganz kreatürlich aufeinander ein. Am nächsten Morgen tragen die Fighter ihre Narben wie zu Fleisch gewordene Just-do-it-Markenzeichen ins Büro.

Auch Konkurrenzkämpfe fehlen beim Durchkonjugieren des Maskulinen nicht. Hier fährt „Fight Club“ jedoch eher das übliche Programm: zwei Kerle, eine Frau (als völlig fertige Schlampe ist Helena Bonham Carter zum ersten Mal einigermaßen erträglich). Tyler bumst sie, der Erzähler liebt sie längst, ohne es zu wissen. Umso heftiger drängt das Kind im Manne an die Oberfläche. Zur Auslebung dieser präpotenten Phase fährt „Fight Club“ gleich eine ganze Armee auf.

Auch auf der narrativen Ebene dominieren bald die Allmachtsphantasien, rücksichtslos spielt der Erzähler sein Wissen gegen den Zuschauer aus. Mal springt er zwischen den Zeiten, mal gibt er Szenen im Rückblick eine völlig andere Bedeutung. Dass die aufgetürmte Omnipotenz irgendwann zusammenbrechen, die absolute Kontrolle in den Kontrollverlust münden muss, ist unabwendbar.

Am Ende wird der Erzähler einen Namen haben. Zu sich selbst gefunden hat er trotzdem nicht. Es bleibt ein geheimnisvoller Rest oder das, was Elisabeth Bronfen den nicht erschließbaren Kern, das eigentliche, nicht repräsentierbare nennt, um das herum Fincher auch diesen Film gestrickt hat. Ob Yamamoto, Ikea oder das Bildrepertoire der abendländischen Kulturgeschichte in „Seven“ – es geht immer um den verzweifelten Versuch einer Sinnstiftung rund um diese Leerstelle. Und weil alle Zeichen, Deutungsversuche, Marken und Ikonen letztlich immer zu uns selbst zurückverweisen, bleiben am Schluss nur zwei Möglichkeiten, die vielleicht sogar ein und dieselbe sind. Tyler sagt: „Vielleicht ist Selbstzerstörung die Antwort.“ Der Erzähler entschließt sich, bei Null anzufangen.

„Fight Club“, Regie: David Fincher. Mit Edward Norton, Brad Pitt, Helena Bonham Carter, Meat Loaf. USA 1999, 141 Min.

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