: Entschuldung von Schülergewalt
betr.: „Viel Anlass, wütend zu sein“, taz vom 12. 11. 99
[...] Die sich naiv gebärdende Frage, „warum es so wenig Fälle von Tyrannenmord an den Schulen“ gibt, führt in dem Interview nicht zur notwendigen differenzierten Analyse. Vor dem Hintergrund einer erschreckenden tödlichen Eskalation zwischen einem Schüler und einer Lehrerin (im Umfeld noch nicht geklärter gruppendynamischer Prozesse) kommt es vor allem durch Fragestellungen des Journalisten zu einer verzerrten Diskussion: Strenge und Autorität wird als Gewalt verunglimpft. In meiner Arbeit als Psychoanalytiker mit Kindern und Jugendlichen sehe ich zurzeit dagegen häufig die fatalen Auswirkungen falsch verstandener Liberalität und Grenzenlosigkeit auf der Seite der für die Kinder und Jugendlichen wichtigen Erwachsenen.
In einer unglaublich tendenziösen Fragestellung wird von Seiten des Journalisten unter Bemühung falscher geschichtlicher Parallelen eine gewaltverharmlosende Atmosphäre aufgebaut. In der scheinheiligen Frage „Warum wundert sich eigentlich niemand, dass es nicht mehr Gewalt gegen Lehrer gibt?“ steckt im Kern die Entschuldung von Schülergewalt gegen Lehrer. [...] Wilfried Bröckelmann, Köln
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