■ UrDrüs wahre Kolumne: Die spinnen, die Bremerhavener
In Teilen Norddeutschlands dominiert der Brauch des Martinssingens, während in Bremen vor allem die kleinen Nikolausläufer zur Jagd auf milde Gaben wie Bounty, Snickers und Mandarinen antreten. Zunehmend festzustellen ist dabei, dass Privatleute an solchen Tagen Herz und Tür verschlossen halten und sich hinter heruntergelassenen Rollos verbarrikadieren – vermutlich durch die ständigen Sicherheitswarnungen verstört, wonach man niemanden und Fremde schon gar nicht ins eigene Heim einlassen soll. So wurde denn dieser Tage ein Trupp von Martinssingern bereits an der Wechselsprechanlage mit dem Hinweis abgefertigt, sie sollten doch bitteschön zu Nikolaus wiederkommen – was ein blitzgescheites Mädel von gerade sieben Jahren mit den Worten konterte: „Und Nikolaus heisst es dann, kommt Weihnachten oder Ostern vorbei. Blöde Angsthasen, scheiß Geizhälse!“ Noch schöner wäre es, wenn die jüngere Generation sich öfter mal des Schimpfwortes „Du Ausländerbehörde, du!“ bedienen würde. Ich bitte Kindergärtner und Lehrerinnen um geflissentliche Propagierung.
Ganz von selbst wird es sich durchsetzen, dass das Böse in der Hansestadt den Namen Perschau bekommt: Wer nur aus Jux und Dollerei oder um sich bei den Stahlhelm-Opas lieb Kind zu machen, wer nur aus solchen niedrigen Beweggründen die Rollheimer und Siedler aus ihrem Ökodorf im Grünen bei Lesum vertreiben will, den hat nun wirklich niemand mehr lieb. Die von diesem Hartmut einst über den Tisch gezogenen Ossis, die Wagenburgler aller Länder und was sonst das Herz im Einklang mit den natürlichen Gesetzen auf der linken Seite zu schlagen hat – sie alle werden sich dem Ansinnen dieses Napfkuchens widersetzen und ihn unter Spott und Hohn und verächtlichen Zurufen wie „Freibier-Gesicht“, „Störkraft-Fan“ oder „Mensch ohne Kulturbeutel“ aus der Stadt treiben. Ob er dann noch auf dem Harriersand Asyl findet, darf unter Freunden des alternativen Campingwesens als sehr sehr fraglich gelten. Vielleicht nimmt ihn der kleine König Kalle Wirsch in seiner Güte ja noch als Parkplatzwächter auf Lummerland an ... Ist aber nicht mein Problem!
Vorbeugend möchte ich die Eltern schulpflichtiger Kinder davor warnen, sich im Kampf um die verlässliche Grundschule von zünftlerischen Speerspitzen des pädagogischen Gewerbes missbrauchen zu lassen: Die Möglichkeit, die Kiddies bis mittags unabhängig von Grippewellen, Seminarbesuchen und sonstigen Wechselfällen des Paukerlebens einigermaßen sicher los zu werden, ist für Mamis und Papas viel zu kostbar, als dass man sie durch blindes Fixieren auf „qualifiziertes Personal“ vertändeln sollte. In der familiären Praxis muss man die Blagen am Ende ja doch bei desinteressierten Nachbarn unterbringen, deren Betreuungsprogramm dann in der Vorführung eines Video-Trickfilms aus dem Billigregal besteht: Also besser ein paar Stunden Tändelei mit Leute in der Schule, die vielleicht einfach nett sind ... Womit natürlich auch bewiesen wäre, dass vernünftige Gedanken nicht immer ganz politisch korrekt sein müssen.
Zwei Mark für abgelaufene Joghurtbecher und Brötchen von gestern an die „Bremerhavener Tafel“, damit am Ende die Arbeiterwohlfahrt ihre Funktionäre mit Handy-Apanage versorgen kann: Kann das der Weisheit letzter Schluss sein? Und dann soll der Empfänger solcher Wohltaten sich auch noch mit Sozialamtsbescheid ausweisen, wo es doch beim Prinzip „Tafel“ wohl auch darum geht, Flüchtlingen, verschämten Rentnern, Illegalen und sonstigen „nichtregistrierten“ Armen eine Überlebenshilfe zu bieten – welcher Dösbaddel kommt auf solche staatstragenden Ideen? Am Ende dieselbe Sorte Widerling, die das Betteln erlaubnispflichtig machen und darauf gern noch eine Gebühr erheben möchte. Am besten mit Staffelung und Sachkundenachweis: Die spinnen, die Bremerhavener!
Wer beim trüben Wetter dieser Tage in Trübsinn verfällt, dem sei von Hoffnung gekündet: Am kommenden Donnerstag beginnt in der Stadthalle das Catchturnier, trotz alledem. Und das Leben wird wieder reicher und schöner in Bremen. Meint jedenfalls
Ulrich „Big Mouth“ Reineking
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen