: Die Kranken sind die Betrogenen
betr.: „Ärztliche Zusammenarbeit macht die Medizin billiger“, taz vom 10. 11. 99
Bei der Lektüre des Artikels fragt man sich, ob bei den Netzbetreibern nicht gerechnet werden kann oder aus politischen Gründen nicht gerechnet werden will.
590 ÄrztInnen und 18.000 Versicherte beteiligen sich an dem Netz. Das Gesamtbudget im Netz betrug 14,6 Millionen Mark. Davon haben die beteiligten ÄrztInnen 4,3 Prozent eingespart, also 627.800 Mark. Immerhin heißt das, jeder Doktor hat 1.064 Mark im Jahr (88 Mark im Monat) weniger Kosten verursacht und jeder teilnehmende Krankenversicherte für 34,88 Mark im Jahr (2,90 Mark im Monat) weniger Leistungen bekommen als im Budget möglich waren. Für diese Einsparung haben die Krankenkassen aus den Einnahmen bei den anderen Versicherten an jeden der NetzpatientInnen eine jährliche Prämie von 120 Mark gezahlt.
Denn dies haben die Netzprotagonisten nicht gesondert herausgestellt: Die Prämie wird nicht in die Netzausgaben eingerechnet! Stellt man diesen Betrag mit ein und rechnet ihn gutwillig nach unten, so kommen bei einer reduzierten Prämie von nur 100 Mark und einer im Vorjahr ja noch geringeren Teilnehmerzahl (etwa 10.000) an Netzpatienten eine Million Mark an Prämienzahlungen zusammen. Im Endeffekt hat das Netz also 372.000 Mark höhere Kosten verursacht als bei der Behandlung durch die übrigen niedergelassenen ÄrztInnen angefallen wären. Die Mehrkosten durch den erhöhten Verwaltungsaufwand sind hier noch nicht berücksichtigt.
Alle diese zusätzlichen Ausgaben müssen die anderen Mitglieder der beteiligten Krankenkassen tragen. Dort fehlt es schon jetzt an allen Ecken. Die Kranken sind die Betrogenen. Das Netz selbst zieht mit seiner eingeschränkten Arztauswahl vor allem jene an, die gesund sind. Wer ohnehin nicht zum Arzt geht, kann es leicht verkraften, wenn der nächste Spezialist im Netz einige Kilometer entfernt praktiziert.
Es gehört schon reichlich Chuzpe dazu, diese Kostensteigerung als Erfolg und „positive Bilanz“ zu verkaufen. Burkhard Bratzke, Niedergelassener Arzt für Dermatologie und Venerologie
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