piwik no script img

Knaller-Parade im Tiergarten

■  Eine Million Besucher sollen zur größten Millennium-Party der Republik kommen

Berlin 2000 – da kann trotz der Olympia-Pleite nichts mehr schief gehen, denn eines ist sicher: Silvester kommt und damit die größte Millennium-Party der Republik. Das überzeugende Konzept für das Riesenfest am Brandenburger Tor: Umsonst und draußen! Was im Juli bei der Love Parade vielleicht noch Spaß macht, soll auch am eisigen 1. Januar – 20 Grad minus sind schließlich 50 Kilometer vor der polnischen Grenze keine Seltenheit – mehr als eine Million Besucher anlocken.

Davon jedenfalls gehen die Veranstalter der eigens dafür gegründete Silvester in Berlin GmbH aus. Schließlich werde dafür auch die halbe Innenstadt, vom Alexanderplatz in Mitte über Unter den Linden und das Brandenburger Tor bis zur Siegessäule im Tiergarten, in einen festlich illuminierten Erlebnisrundgang verwandelt, wie eine Firmensprecherin betonte. Doch damit nicht genug: „Die Besucher erwartet ein abwechslungsreiches, hochkarätiges Entertainment-Programm.“ Mit von der Party sind zum Beispiel die aus der Bierwerbung bekannten Rocker von den Puhdys. Gegen 22 Uhr tritt die Ost-Band vor dem Roten Rathaus auf.

Klassisch geht es am Gendarmenmarkt zu: Über eine Videowand werden drei klassische Konzerte aus dem Konzerthaus übertragen. Am Brandenburger Tor röhren sich hingegen Joe Cocker und die Blues Brothers heiser, bevor kurz vor Mitternacht eine aufwendige Lasershow steigt. Richtig heiß wird's aber erst im Westen. Auf der Straße des 17. Juni treten die Achtzigerjahre-Stars Modern Talking und Otto Waalkes auf.

Höhepunkt ist aber die Lichtpyramide: Wenn um Mitternacht alle Laternen ausgehen, werden hunderttausende Zuschauer die Siegessäule mit einer eigens für dieses Ereignis produzierten Taschenlampe anstrahlen.

Unweit vom Volk feiern die Promis. Für 1.999 Mark Eintritt kann man sich unter die Berühmtheiten bei der Millennium-Gala am Reichstag mischen. Auf der Speisekarte: Hummer à la Nage, Rehrückenfilet, Kaviar und Champagner. 1.000 Gala-Karten seien schon verkauft, sagte eine Sprecherin der Veranstalter. „Da ist schon einige Politprominenz dabei“, versicherte sie. Konkrete Namen würden aber erst in zwei Wochen genannt.

Für 1.500 Mark findet man auch bei Theodor Tucher, Speisekabinett und Leselounge am Brandenburger Tor, ein wenig Ruhe. Neben einer szenografisch-musikalischen Zeitreise gibt es diverse Leckereien. Allerdings: Von 200 Karten sind schon 120 weg.

Etwas billiger geht es im stark renovierungsbedürftigen Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Landsberger Allee zu: Für 250 Mark kann man in dem ehemaligen DDR-Vorzeige-Schwimmbad Silvester feiern und Berliner Spezialitäten wie Buletten probieren.

Das ist natürlich noch nicht alles. Kaum ein Berliner Club, der sich nicht etwas Besonderes ausgedacht hat. Insgesamt wird es nach Angaben der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) rund 250 Millennium-Partys in der Hauptstadt geben. Mehr als eine Million auswärtige Besucher sollen es dann kräftig in den Hauptstadtkassen klingeln lassen.

Schon bei der Love Parade, einem vergleichbaren Event, seien immerhin 300 Millionen Mark Kaufkraft in die Stadt geflossen, sagte eine BTM-Sprecherin. „Zum Jahrtausendwechsel geben die Leute wahrscheinlich noch mehr aus.“ Richard Rother

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen