Sanssouci: Vorschlag
■ Monarchie im Alltag – „Ja König Ja“ im Roten Volksbühnensalon
Foto: Rahel Ziethen
Es scheint kaum faßbar, mit welcher Geschwindigkeit in der Freien und Hansestadt Hamburg immer neue Poptrends und Schulen entworfen, diskutiert und schlußendlich nachgeahmt werden. Auf die eher knochentrockene, an Bands wie Blumfeld orientierte Generation der meistens rätselhaften „Diskurs-Rocker“ folgten die drei ironischen Slacker von Tocotronic, denen „Samba“ aus Osnabrück schon auf den Fersen sind. Bernd Begemanns eher ethnologischer Ansatz der unverkrampften Beschreibung dessen, was der unspektakuläre Fall in Waschküchen und Vorstädten ist, wird von „Camping“ (mit einem Schuß Flowerpornoes aus dem Ruhrpott) kopiert. Und was kommt jetzt? Verträumter Kammerpop von einem monarchistischen Duo. Dessen obskurer Bandname ist eigentlich ein Zitat aus einer Folge der Sesamstraße, in der der nette König eines lustigen Puppenvölkchens die Idee hatte, eine dufte Party zu organisieren. Seine Untertanen riefen daraufhin voller Begeisterung: „Prima Plan!“ und „Ja, König, ja!“
Hinter diesem ambitionierten Projekt, das ohne Schlagzeug und mit nahezu lyrischer Erleuchtung daherkommt, verbergen sich zwei grundverschiedene Persönlichkeiten: Ebba Durstewitz, eine klassisch ausgebildete Cellistin, die über einige Umwege in den Sphären der U-Musik landete, und Jakobus Siebels, autodidaktischer Gitarrist, Exil-Ostfriese und ehemaliger Bäckergeselle bei Das Neue Brot. Dem Vernehmen nach sollen im Rahmen einer ersten Serie von acht Auftritten der beiden Königstreuen im von Rocko Schamoni betriebenen Hamburger Pudel Club, in dem am Wochenende fröhliche Werbefuzzis mit kreativen jugendlichen Hipstern fraternisieren, gestandene Doofmänner und -frauen reihenweise in Richtung echte Bewunderung umgekippt sein. Woran das liegt? „Ja König Ja“ gelang es schon mit ihrer ersten gleichnamigen Produktion, der vorerst noch drei weitere folgen sollen, mit Klavier, Cello, Gitarre und zweistimmigem Gesang einfache, wunderschöne Lieder zu schreiben, die weder „Teil einer Jugendbewegung“ noch Kommentarbände zur Geschichte der populären Musik sein wollen. Sie stehen für sich und erzählen von großen Fischen, Schiffen auf der Elbe und dem gemeinsamen Umzug in die große Stadt, die mehr Einwohner als Menschen hat. Auf dem Weg dorthin werden Straßeneckenküsse eingetauscht, und für grünes Gras gibt es „Erzähl mir was“. Denn: Heiße Schokolade ist für mich allein zu schade.“ Gunnar Lützow
Heute, 23 Uhr, Roter Salon, VB, Rosa-Luxemburg-Platz
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