: Mit dem Bio-Reaktor gegen den Dreck
■ Vier Chemiker nisteten sich im BIG ein: ihre Firma wird flügge
Ulrich Markens öffnet den weißen Kasten und deutet auf einen aufgerollten Draht: „Durch das 0,25 Millimeter dünne Röhrchen fließt nun ein Millionstel Liter Flüssigkeit.“ Die graue Kunststoffkiste mit den mikroskopischen Einzelteilen kann die Zusammensetzung pflanzlicher Substanzen analysieren. Der High-Tech-Apparat funktioniert wie eine Dunstabzugshaube über dem Herd. Die einzelnen Bestandteile der Testflüssigkeit werden unterschiedlich lange durch die Beschichtung im Röhrchen aufgehalten. „Das Gerät zeigt uns an, wenn wieder etwas austritt, und anhand der Durchlaufzeit können wir die einzelnen Substanzen bestimmen“, erläutert Martens.
Der Leiter des Bereiches Umwelt in der Unternehmensgruppe Analyticon ist einer von 120 Mitarbeitern. Als die Firma 1985 gegründet wurde und in das Innovations- und Gründerzentrum (BIG) zog, bestand die Belegschaft aus vier Leuten. Heute ist das unabhängige Institut eines der führenden deutschen Dienstleistungsunternehmen im Bereich der chemischen Analytik.
Das Unternehmen hat in den zehn Jahren seines Bestehens so stark expandiert, daß mittlerweile noch zwei weitere Bereiche eingerichtet wurden: Neben Analyticon wurde Biotecon als Gesellschaft für biotechnologische Entwicklung und Enrocon als Gesellschaft für Geotechnik ins Leben gerufen. Die drei Unternehmensgruppen arbeiten inhaltlich Hand in Hand: Wenn die Geotechniker bei einer Baugrunduntersuchung feststellen, daß der Boden verseucht ist, rücken die Kollegen von Biotecon mit ihrem mobilen Drehrohrreaktor an, um das Gelände wieder zu säubern.
„Der Reaktor arbeitet mit Keimen, die dem verseuchten Boden entnommen wurden“, erklärt Markens. „Die Keime ernähren sich von dem Stoff, der den Boden verseucht hat.“ Also werden sie vermehrt und mit dem Boden durch eine Spirale gedreht: „Dort kriegen die Keime genügend Sauerstoff und wir halten die Temperatur auf einem günstigen Niveau.“ Das Ergebnis: Die Keime fressen Schadstoffe wie Öl einfach auf.
Was so einfach klingt, ist in der Realität das Ergebnis komplizierter biochemischer Forschungsarbeit. Insbesondere die Anschaffung der hochsensiblen Meßgeräte geht ins Geld: Allein das anfangs beschriebene Drahtröhrchen kostet an die 3.000 Mark. Bis 1989 konnte sich das Unternehmen noch auf öffentliche Aufträge stützen, die rund 60 Prozent der Einnahmen ausmachten. „Von dieser Seite floß das Geld allerdings immer spärlicher, so daß wir uns umstellen mußten,“ erinnert sich Markens. Heute kommen 70 Prozent der Aufträge von Privatkunden.
Die Unternehmensgruppe Analyticon ist unter den TIB-Betrieben einer der Großen. Nach zehnjähriger Nestwärme im BIG/ TIB wird die Firma langsam flügge. „In den nächsten Jahren werden wir uns nach einem neuen Sitz umsehen müssen“, schätzt Markens. Lars Klaaßen
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