: Staatsanwalt fordert Höchststrafe
■ Bundesanwalt hält Angeklagte im Solingen-Prozeß des fünffachen Mordes aus Ausländerhaß für schuldig
Düsseldorf (taz) – Alle vier Angeklagten im Prozeß um den Solinger Brandanschlag haben sich nach Auffassung der Karlsruher Bundesanwaltschaft des gemeinschaftlichen Mordes von fünf Menschen schuldig gemacht. Für alle sei deshalb die „Verhängung der Höchststrafe unumgänglich“.
Bei dem Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç waren zwei Frauen und drei Mädchen umgekommen und zehn weitere Personen zum Teil schwer verletzt worden. Als Motiv „lag der Tat Ausländerhaß zugrunde“, sagte Oberstaatsanwalt Dirk Fernholz gestern im Düsseldorfer Gerichtssaal. Bei ihrem „heimtückischen Anschlag“ hätten alle vier Angeklagten „mit der Möglichkeit gerechnet, daß die Bewohner zu Tode kommen könnten“. Spätestens nach dem Möllner Anschlag habe das jeder wissen müssen.
Für Markus Gartmann, dem zur Tatzeit einzigen Erwachsenen der vier Angeklagten, forderte Fernholz eine lebenslange Freiheitsstrafe. In seinem Plädoyer deutete Fernholz an, daß Gartmann bei Aufrechterhaltung seines Geständnisses mit einer Zeitstrafe davongekomen wäre. Doch durch seinen Widerruf habe er gezeigt, daß er die Tat nicht „ehrlich und aufrichtig bereut“. Gegen die drei Jugendlichen beziehungsweise Heranwachsenden beantragte der Oberstaatsanwalt langjährige Haftstrafen. Alle Angeklagten waren für Fernholz zur Tatzeit wegen ihres ausgiebigen Alkoholkonsums zwar in ihrer Schuld und Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert, doch wegen der Schwere der Schuld komme gleichwohl nur die Höchststrafe in Betracht. Für den 18jährigen Arztsohn Felix K., der die „günstigsten Startbedingungen hatte“, beantragte Fernholz deshalb ebenso die Höchststrafe von zehn Jahren Haft wie für den von „Geburt und Herkunft erheblich benachteiligten“ Christian R. und den Heranwachsenden Christian B.
Zuvor hatte Oberstaatsanwalt Thomas Beck in seinem mehrstündigen Plädoyer davon gesprochen, es könne „keinen vernünftigen Zweifel an der Täterschaft“ der Angeklagten geben. Das Geständnis von Markus Gartmann, das dieser am 21.3. 1995 überraschend widerrufen hatte, sei „richtig, und der Widerruf ist eine Lüge“. Mit dem Widerruf habe Gartmann ausschließlich den Versuch unternommen, den letzten Strohhalm zu greifen, um einer Verurteilung zu entgehen. Das „falsche Geständnis“ hatte Gartmann im Prozeß mit der Drucksituation während der Polizeiverhöre erklärt. Für die Bundesanwaltschaft ist diese Version dagegen allein der Prozeßtaktik geschuldet. Ein Unschuldiger hätte die zahlreichen Chancen während des Prozesses, das Geständnis zurückzunehmen, nach Auffassung von Beck gewiß viel eher genutzt. Gartmanns Geständnis decke sich im übrigen mit zahlreichen Schilderungen des Angeklagten Christian R. und werde durch eine ganze Indizienreihe bestätigt. Auch gegenüber seinem herzkranken Vater habe er die Tat eingeräumt. Tatsächlich hatte Gartmann am 9.6. 1993 bei einem Besuch seines Vaters auf der Polizeiwache die Tat durch Kopfnicken bestätigt. Diesen „seelischen Keulenschlag“ hätte Gartmann nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft seinem kranken Vater niemals zugefügt, wäre er nicht einer der Täter. Walter Jakobs
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