: Rot-Grau am Ende?
■ Statt-Partei-Fraktion aufgelöst / Regierungsbündnis in der Krise
Hamburg (taz) – Der Statt-Partei-Gründer Markus Wegner hat seinem Ruf als hauptberuflicher Querulant wieder einmal alle Ehre gemacht: In einem dreitägigen Drama inszenierte er seinen Austritt aus der Hamburger Bürgerschaftsfraktion Statt Partei. Eigentlich sind die Stattlichen Reste ziemlich „erleichtert“, Wegner, der seine Mitstreiter immer wieder durch Alleingänge und undurchsichtige Eskapaden verprellt hatte, losgeworden zu sein. Doch da er seinen Partei- und Busenfreund Klaus Scheelhaase mitnimmt, verliert das 1993 als Wählerinitiative angetretene Exzentriker-Forum mit den verbleibenden fünf Mitgliedern den Fraktionsstatus und alle damit verbundenen Privilegien. Die Hamburger SPD, die mit den Statt-Parteilern 1993 eine rot- graue „Regierungskooperation“ bildete, nachdem rot-grüne Verhandlungen gescheitert waren, ist nun hochgradig alarmiert: „Ich nehme mit Besorgnis zur Kenntnis und weise mahnend darauf hin, daß diese interne Entwicklung einen Einschnitt zum Schaden unserer Stadt insgesamt nach sich ziehen kann“, setzt Bürgermeister Henning Voscherau die Schrumpf- Statthalter unter Druck. Zwar reichen die Stimmen der SPD und fünf verbliebenen Grauen noch immer für die Mehrheit in der Bürgerschaft. Verärgert ist die SPD jedoch vor allem darüber, daß Rot- Grau durch das Dahinscheiden der Statt-Partei-Fraktion in den wichtigen Ausschüssen Haushalt und Verfassung die Mehrheit verloren hat. Ansonsten wird die inzwischen zahnlose „Rebellenpartei“ eher noch bequemer für die SPD. Denn: Ohne Fraktionsgelder und mit nur minimalem Rederecht in der Bürgerschaft wird die zur parlamentarischen Gruppe degradierte Statt Partei vollends eine Existenz in der Gesäßtasche des großen Regierungspartners führen. Während sich die Oppositionsparteien CDU und GAL amüsiert die Hände reiben und schon Neuwahlen oder wenigstens neue Bündnisse vorschlagen, suchen die abgestürzten Statthalter fieberhaft nach einer Lösung. Mitunter gingen einem Taubenschlag einige Vögel verloren, verstieg sich Wegners Intimfeind, Ex-Fraktionschef Achim Reichert, am Mittwoch abend mal wieder in verwegene Vergleiche, „aber manchmal findet der Taubenzüchter morgens auch eine neue Taube vor“. Den abtrünnigen Wegnerschen Kammerdiener Scheelhaase zur Rückkehr zu bewegen ist jetzt die einzige Chance, den Fraktionsstatus – mindestens 6 Abgeordnete – zurückzugewinnen. Am Wochenende will sich die SPD-Spitze den traurigen Rest der Schrumpf- Statt-Partei vornehmen und klären, wie es regierungstechnisch weitergehen soll. Silke Mertins
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