„Wir sind sehr optimistisch“

Der neue Chef Hartmut Mehdorn wird der Bahn einen Aufschwung bescheren, glaubt Holger Jansen vom Fahrgastverband Pro Bahn

taz: Pro Bahn hat die Bahnpolitik immer wieder heftig kritisiert. Wird man von Ihnen unter dem neuen Bahnchef versöhnliche Töne hören?

Holger Jansen: Wir hoffen, dass es Gründe dafür gibt – und wir sind sehr optimistisch. Die ersten Verlautbarungen Mehdorns waren äußerst positiv, und er hat ja auch als Chef bei der Heidelberger Druckmaschinen AG einiges bewegt. Vor allen Dingen erkennen wir, dass er eine neue Form der Kommunikation mit externen Vereinigungen führen wird.

Sie werden mit der Bahn also nicht mehr nur über die Medien kommunizieren müssen?

Bei der Frage um die Nachlösegebühr vor zwei Wochen hat das schon gut geklappt – wir waren zum Gespräch mit dem Bahnvorstand geladen. Dieser Weg ist doch besser, als wenn wir erst im Nachhinein die Kritikpunkte anbringen können und die Fahrgäste auf die Barrikaden gehen.

Wenn Sie verbal auf die Bahn einprügeln, treffen Sie oft den falschen: Viele Versäumnisse liegen in der Verkehrspolitik und nicht bei der Bahn selbst.

Unbestritten sind die politischen Voraussetzungen für die Bahn zurzeit sehr schlecht. Aber auch die Bahn muss ihre Hausaufgaben machen. Gegen die Verspätungen zum Beispiel muss die Bahn selbst angehen. Natürlich hoffen wir auch, dass die Deutsche Bahn ihre Interessen in der Politik stärker zum Ausdruck bringt. Zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer: Die Bahn zahlt 16 Prozent im Fernverkehr, die Fluglinien im grenzüberschreitenden Verkehr bezahlen nichts. Gegen eine solche Benachteiligung muss sich die Bahn stärker politisch wehren.

Hört man auch da bei Ihnen Optimismus heraus?

Durchaus. Mehdorn hat einen guten Draht in die Politik. Den sollte er für die Bahn nutzen.

Die Bahn muss wirtschaftlich denken. Sie ist eine Aktiengesellschaft, und soll – zumindest in Teilen – ab dem Jahr 2003 an die Börse. Was soll sie tun, wenn eine Strecke sich nicht rentiert?

Die Bahn braucht eine offensive Vorwärtsstrategie. Sie kann eine unrentable Strecke natürlich schließen. Sie kann sich aber auch zum Ziel setzen, sie besser auszulasten. Dass das gelingen kann, zeigen zahlreiche Nahverkehrslinien in ländlichen Regionen, die durch einen Taktverkehr, moderne Fahrzeuge und attraktive Preise einen deutlichen Fahrgastzuwachs verzeichnen konnten.

Mehdorn will das Tarifsystem „stark vereinfachen“. Andererseits macht es ja Sinn, Tickets in sonst leeren Zügen billiger zu machen, um sie besser auszulasten.

Natürlich begrüßen wir Sonderpreise, aber sie müssen nachvollziehbar sein. So wie zum Beispiel das Guten-Abend-Ticket – wann das gilt, das kapiert jeder. Wenn die Bahn auf diese Weise Restkontingente verscherbelt, erhöht sie damit ihre Einnahmen. Fluglinien machen das seit Jahren vor mit ihren Last-Minute-Angeboten – vergleichbare Angebote wird die Bahn noch stärker ausbauen müssen. Sonderangebote mit zahlreichen Ausnahmen verwirren dagegen mehr, als sie nutzen.

Wie soll die Bahn mit ihrem Schienennetz umgehen?

Vorstellbar wäre eine Regulierungsbehörde, die darüber wacht, wer zu welchen Konditionen auf den Schienen fährt – ähnlich wie bei der Regulierung der Telekommunikation. Damit käme Wettbewerb in Gang, weil verstärkt Dritte auf dem bestehenden Netz Züge anbieten würden.

Was muss Mehdorn leisten, um von Ihnen eine gute Note zu bekommen?

Zehn Prozent Fahrgastzuwachs muss er pro Jahr erreichen, sowohl im Nahverkehr wie auch im Fernverkehr. Diese Zielvorgabe ist ehrgeizig, aber realistisch. In der Vergangenheit hat sich gezeigt: Attraktive Angebote machen Wachstumsraten in dieser Höhe möglich.

Interview: Bernward Janzing