: Regierung kann das Öl nicht stoppen
Ölpest in Frankreich weitet sich aus, Kritik an grüner Umweltministerin Voynet nimmt zu
Wegen des Orkans an der westfranzösischen Küste hat sich Ölpest nochmals verstärkt. Stürmische Winde verteilten das Öl aus dem am 12. Dezember zerbrochenen Tanker „Erika“ über mehr als 400 Kilometer der bretonischen Küste. Zudem trieb gestern ein zweiter Ölteppich, der am Sonntag aus dem untergegangenen Tanker ausgetreten war, auf die Strände und Felsriffe zu.
Die Besatzungen der Ölauffangschiffe mussten hilflos zusehen, wie das Schweröl sich ausbreitet, da starke Winde und hohe Wellen ein Absaugen der zähen schwarzen Masse unmöglich machen.
Während in den vergangenen Tagen zunächst kleinere Klumpen angeschwemmt wurden, sind inzwischen ganze Strandabschnitte bis zu 30 Zentimeter hoch mit der kompakten Masse bedeckt. Unermüdlich schippen Freiwillige, Soldaten, Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Zivilschutzes den schwarzen Sand in Eimer und Müllsäcke. Noch immer fehlt es an Hilfsmitteln zum Abtransport der zähen Masse.
Bislang sind rund 11.000 Tonnen Schweröl aus dem versunkenen Schiff herausgeflossen. Bis zum Montagabend trat eine neue, zehn Kilometer lange und 400 Meter breite Ölspur aus dem hinteren Teil des Tankers aus. Insgesamt befinden sich noch rund 20.000 Tonnen in dem Wrack.
Die französische Regierung gerät nun zunehmend in die Kritik. Umweltschützer und Politiker der Küstenregion werfen unter anderem der grünen Umweltministerium Dominique Voynet vor, sie habe das Ausmaß der drohenden Gefahr wochenlang verharmlost. Außerdem, so heißt es, habe die Regierung keine ausreichenden Schlüsse aus den Tankerunfällen und Ölkatastrophen der vergangenen Jahre gezogen. Wieder einmal seien zum Beispiel zu wenige Absperrschläuche in der Küstenregion vorhanden gewesen, mit denen das Öl von den Stränden hätte ferngehalten werden können.
Frankreichs sozialistischer Premierminister Lionel Jospin hat inzwischen seinen Weihnachtsurlaub in Ägypten abgebrochen. Bei einem Besuch in den Region kündigte er an, er werde sich auf internationaler Ebene für bessere Vorschriften zur Vermeidung künftiger Ölverschmutzungen einsetzen.
Wegen der Ölverschmutzung haben 20 Greenpeace-Mitarbeiter vor dem Sitz des Totalfina-Konzerns in Paris demonstriert. Das Unternehmen hatte die „Erika“ gechartert, die unter der Flagge von Malta fuhr. Die Umweltschützer besprühten aus Protest die Fassade des Total-Hochhauses im modernen Pariser Geschäftsviertel La Défense mit Diesel und Sand. Zudem luden sie Ölschlamm aus dem Atlantik und hunderte tote Seevögel vor dem Unternehmenssitz ab. Nachdem zwei Umweltschützer zu einer Unterredung mit einem Vorstandsmitglied zusammengekommen waren, endete die Aktion jedoch wieder.
Unmut bei den vom Ölteppich betroffenen Bretonen erregte die Verteilung eines Faltblattes, auf dem die Total-Stiftung gemeinsam mit dem Küstenschutz zum Respekt der am Meer gelegenen Biotope aufruft. „Die Naturflächen am Meeresrand sind zerbrechlich. Respektieren wie sie“, heißt es auf dem Flugblatt.
Nach Angaben von Vogelschützern wurden bislang rund 12.000 ölverklebte Seevögel gefunden. Nur wenige haben eine Überlebenschance. Bei der Tankerkatastrophe der „Amoco Cadiz“ im Jahre 1978 waren nur etwa halb so viele Vögel betroffen, obwohl rund 230.000 Tonnen Öl ausgelaufen waren. Nach Ansicht der Vogelschützer ist das vom Öl der „Erika“ verseuchte Gebiet für die Überwinterung der Seevögel von sehr großer Bedeutung.
Derweil will eine belgische Vogelschutz-Organisation tausende verschmutzter Vögel zur Versorgung nach Brüssel ausfliegen. Die Helfer vor Ort seien angesichts der ornothologischen Katastrophe überfordert. koch
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