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Absender: Braune Runde

■ Oldenburg hat ein Problem und will es nicht sehen: Die Idylle ist durch Aktivitäten von Neonazis gestört / Inzwischen formiert sich der Widerstand gegen rechte Gewalt

In kaum einer zweiten Gemeinde im Nordwesten ist der Identifizierungsgrad der Bürger mit ihrer Stadt so hoch wie in Oldenburg. Es gibt viel Grün, kaum Wohnungsnot und auch der Lebensstandard ist überdurchschnittlich hoch. Alles wäre in bester Ordnung, wenn die Idylle seit dem Kramermarkt im letzten Herbst nicht Risse bekommen hätte. Die brutalen Übergriffe von Neonazis auf einen Somali sorgten überregional für Schlagzeilen. Auch in den folgenden Wochen kam es immer wieder zu Konflikten, die sich vor allem in der Innenstadt von Oldenburg abspielten. „Besorgte Bürger suchten mein Büro auf, um mir zu berichten, dass sie sich nicht mehr in die Fußgängerzone trauen“, berichtet Berndt Zabel, Fraktionsvorsitzender der Ratsfraktion der Grünen.

Polizei, Verwaltung und Nordwest Zeitung fiel es nicht schwer, die Unruheherde zu lokalisieren. „Jugendgewalt“ oder auch „rivalisierende Jugendbanden“ lautet der gemeinsame Nenner. Doch ob sich mit diesem Begriff aus dem soziologischen Niemandsland die Entwicklungen der letzten Monate fassen lassen, ist fragwürdig. Zugleich ist diese Reaktion nachvollziehbar. Wer hat schon gerne Rechtsradikale in der Stadt? Und dennoch: Es gibt sie und sie beschweren sich lautstark. In einem Brief der NPD an die Staatsanwaltschaft Oldenburg beklagt die Partei sich, „dass seit Jahren mit unterschiedlicher Intensität gewaltsame Übergriffe auf Amtsträger und Einrichtungen der NPD erfolgen.“ Verantwortlich macht die NPD das Aktionszentrum Alhambra, das die Aktionen in ihrer Monatszeitung regelmäßig dokumentiert. Dass die NPD es nicht nur bei verbalen Äußerungen belässt, demonstrierte sie vo reiner Woche in Weyhe. Hier marschierte ein Zug von etwa 100 „Jungen Nationaldemokraten“ in Dreierreihen von der Kooperativen Gesamtschule zum Marktplatz. Der Grund: an der KGS hatte sich eine Antifa-Arbeitsgruppe gebildet, die zwei Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten auf einer Versammlung enttarnt hatte und daraufhin vorläufig festhielt.

In Oldenburg wurden weitere Briefe verschickt. „Braune Runde“ lautet der Absender eines Schreibens, das die Skinheads Oliver Genz, David Morawsky und Björn Ottersberg dem linken Aktivisten Bastian Sanders Ende Dezember 1999 zukommen ließen.

Im Kuvert fand Sanders mehrere Fotos und ein Schreiben, in dem sich die drei Jugendlichen für die Nennung ihres Namens samt Foto und Anschrift in dem Antifa-Blättchen „Revolution Inside“ bedanken. Gleichzeitig posieren die Skins selbstbewusst auf zwei Fotos und geben die Vergabe der „San-derlocke“ bekannt. Gemeint ist ein Schamhaar, das die Skins auf eine Abbildung geklebt haben, die Ernie aus der Sesamstraße zeigt. Die Puppe ist das Maskottchen der Jugendgruppe des Oldenburger Schwulen- und Lesbenvereins Na Und.

Dem Brief waren mehrere Telefonate voraus gegangen, in denen die Rechtsradikalen sich als Aussteiger aus der Neonazi-Szene bezeichneten und versuchten Informationen über Sanders, bzw. Revolution Inside zu sammeln. „Ich war vor meinem Coming-Out in der SDAJ aktiv, erklärt Sanders. „Daher scheinen die Faschos mich für einen der Redakteure von Revolution Inside zu halten.“ Er vermutet hinter dem Brief trotz aller Häme gegen Schwule keine konkrete Gefahr. „Für mich ist das Schreiben eher Ausdruck einer abstrakten Form von Bedrohung“, erklärt Sanders. „Da ich die drei Skins nicht persönlich kenne, vermute ich, dass sie in meiner Person Homosexuelle und Linke treffen wollen. Die Auseinandersetzung mit der rechten Szene muss auf politischer Ebene geführt werden“, betont er.

Mit dieser Meinung steht Sanders nicht alleine da. Viele linke Gruppen in Oldenburg reagieren zurzeit auf die zunehmende Bedrohung durch Rechts. Am 15. Januar fand ein Koordinierungstreffen im Oldenburger DGB-Haus statt, in dem sich unter anderem SPD, PDS, MLPD und ALSO auf ein gemeinsames Forum gegen Rechts einigten. Einer der Mitinitiatoren der Runde, Gernot Koch von Grün-Links, sprach davon, dass die Politik in Oldenburg einen entpolitisierten Zustand aufrecht zu erhalten versuche, der de facto gar nicht mehr besteht.

Neben dem Wunsch nach einer größeren politischen Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Gruppen, zeigte das Treffen zugleich aber auch, dass die Impulse zurzeit noch aus der Antifa-Szene kommen. In einer Presseerklärung will das Forum gegen Rechts zu einer Unterstützung der Demonstration aufrufen. Die Antifa hatte in den vergangenen Wochen nicht nur verschiedene „antifaschistische Innenstadtspaziergänge“ initiiert, sondern ruft für den 29. Januar auch zu einer Demonstration auf. „Kein Raum für Nazis“ lautet das Motto.

Dass diese Formulierung ganz konkret verstanden werden kann, macht eine Aktion der PDS vor einigen Wochen deutlich. Hans Henning Adler, Kreisvorsitzender der PDS hatte die Kneipe Pupasch am Waffenplatz dazu aufgefordert, der Nazi-Szene, die sich dort trifft, Hausverbot zu erteilen. „Die Reaktion war negativ“, berichtet Adler. Der Betriebsleiter des Pupasch will erst einschreiten, wenn die Neonazis in seinem Lokal Parolen grölen oder eine Schlägerei anzetteln.

Jens Fliege

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