: Kompliziert
Betr.: „Gedenken mit Soldaten“, taz hamburg vom 19. Januar 2000
Gedenken ist eine komplizierte Angelegenheit: Soll mensch nun nachdenken, wieso etwas passiert ist, das Geschehene nicht wieder passieren kann (können darf), soll mensch trauern, wütend sein oder die distanzierte Analyse vorziehen? Vielleicht ist Gedenken gerade deshalb so populär, weil der Begriff nach Belieben mit den Interessen der Gedenkenden aufgepumpt werden kann.
Vor diesem Hintergrund scheint mir die Frage „Wurde Stalingrad in Auschwitz verteidigt?“ als Titel für einen Gedenkvortrag am 27. Januar ungeschickt gewählt; die Beliebigkeit des Titels steht der Inhaltslosigkeit des Wortes Gedenken in nichts nach. (...) Somit kann ich den Streit in der Wandsbeker Bezirksversammlung um eine Gedenkveranstaltung zum 27. Januar an der Uni der Bundeswehr verstehen.
Immerhin könnte der Untertitel des Vortrages, „Anmerkungen zum Verhältnis von Vernichtungskrieg und militärischem Widerstand“, interessante soziologische Analysen des NS-Systems eröffnen. (...) Pervers ist die Polemik der Regenbogen-Fraktion und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die Bundeswehr dürfe nicht in das Gedenken einbezogen werden. Anstatt die gemeinsame demokratische Ablehnung totalitärer und rassistischer Regime hervorzuheben, benutzen die angeblich „Linken“ die Soldaten der Bundeswehr, um ein neues Feindbild aufzubauen.
Wenn Gedenken für parteipolitische Propaganda missbraucht wird, dann befinden wir uns auf einem Weg, dem die „Linken“ nicht nur Ge- sondern intensives selbstkritisches Nachdenken widmen sollten.
Roland Bösker
Hauptmann der Reserve
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