: Schmiermittel der Atomindustrie
Der Transportstopp von 1998 traf die AKW-Betreiber empfindlich. Doch nun haben sie ihren Katalog abgearbeitet
Umstritten sind die Transportbehälter, seit es sie gibt. Die Kolosse aus Gusseisen sind einen genauen Blick wert, sind sie doch das Schmiermittel der Atomindustrie: Nur damit sind Transporte möglich, um die vollen Lagerbecken für Brennelemente in den AKWs zu entlasten. Und der dicke Mantel aus Eisen und Kunststoff fängt die großen Mengen an radioaktiver Strahlung in ihrem Innern so weit ab, dass nach der gültigen Strahlenschutzordnung ein Transport genehmigungsfähig ist.
Ohne diesen Strahlenschild würden die Spaltprodukte in den Brennelementen binnen kürzester Zeit jedes Leben in der unmittelbaren Umgebung töten. Einige Forscher aber zweifeln die Strahlenschutzverordnung und ihre Einschätzung der Gefährlichkeit von Stahlungsarten wie Neutronen oder Gammastrahlen an – aber ihre Ergebnisse sind bis jetzt nicht in Grenzwertregelungen und geltendes Recht eingeflossen.
Doch ausgerechnet der niedrigste dieser Grenzwerte brachte im Mai 1998 die Atomtransporte zum Stehen: Auf der Außenhaut der Behälter sind nur winzige Strahlenmengen zugelassen, weil diese nicht mehr abgeschirmt werden. Die damalige CDU-Umweltministerin Angela Merkel musste einen allgemeinen Transportstopp in Deutschland verkünden, nachdem ähnliche Messungen in Frankreich einen typischen Atomskandal aufgedeckt hatten: Über Jahre hinweg war der Grenzwert für die Kontaminierung der Außenhaut bei diversen Transporten überschritten worden – teilweise um ein Mehrtausendfaches. Gutachter hatten die Atomwirtschaft seit Jahren darauf hingewiesen. Aber die Warnungen wurden ignoriert.
Damit kamen die Transporte in ganz Westeuropa zum Erliegen. Eisenbahner in Frankreich weigerten sich, die strahlenbelasteten Waggons zu rangieren, nachdem radioaktive Partikel auf deren Gestellen nachgewiesen wurden. Der Regen hatte sie wohl von den Castoren abgewaschen.
Die Atomtransporteure arbeiteten nun an anderen Verlade- und Waschmethoden, um die Partikel von den Außenhäuten der Castoren fernzuhalten. Das gelang ihnen nicht rechtzeitig vor dem deutschen Regierungswechsel. Unter dem neuen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und ebenso neuen Leiter des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, wurden neue Gutachten eingeholt und ein neuer, umfangreicherer Katalog von Maßnahmen und Prüfungen aufgestellt. Den arbeiteten die Transporteure und Betreiber unter Murren ab. Verantwortlichkeiten mussten gebündelt, genauere Dokumentationen über die Messungen erstellt, eine nationale Datenbank eingerichtet werden und anderes mehr.
Anfang Januar verkündete das Bundesamt für Strahlenschutz, alle Auflagen für die innerdeutschen Transporte seien nunmehr erfüllt. Die Genehmigung war seitdem nur noch eine Frage der Zeit. Reiner Metzger
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