: Krieg dem amerikanischen Traum
Was spricht dagegen, sich in Unterhosen von Calvin Klein für die Freilassung von Mumia Abu-Jamal einzusetzen? Die Politrocker Rage Against The Machine schlugen in der Arena die Schlacht von Berlin ■ Von Gerrit Bartels
Für die, die sich nicht rechtzeitig um Karten gekümmert haben, geht an diesem Sonntagabend gar nichts mehr. Überall auf dem Weg zur Arena stehen Leute, suchen Karten oder bieten welche an. Der Schwarzmarkt blüht. Siebzig Mark bietet da jemand für eine Karte; „damit wirst du heute wohl nicht hinkommen“ ist die Antwort. Bis zu hundert Mark für ein Konzert der amerikanischen Politrocker Rage Against The Machine? Da dürfen sich die Leute bestätigt fühlen, die der Band aus Los Angeles vorhalten, immer wieder fürchterlich abzustürzen bei ihrem Balanceakt zwischen korrekt politischem Aktionismus und dem Musikbusiness.
An den Aufständen der Zapatisten in Mexiko teilnehmen, sich für den in der Todeszelle einsitzenden Mumia Abu-Jamal einsetzen, Organsiationen wie „Refuse & Resist“, „Rock For Choice“ oder „The National Comittee for Democracy in Mexico“ unterstützen – alles schön und gut. Dann aber bei einer Plattenfirma wie Sony sein, dieser die Taschen füllen mit mittlerweile 13 Millionen verkauften Alben und bei Kommerz-Festivals wie Lollapaloooza oder Woodstock spielen? Nicht selten müssen Rage Against The Machine sich vorwerfen lassen, sie würden bloß Geschäfte machen mit ihrer radikalen politischen Haltung.
Bisher aber gehen die vier Bandmitglieder von Rage Against The Machine locker und gleichmütig mit solcherart Vorwürfen um. Weisen darauf hin, dass sie Alben machten, wann es ihnen gefalle, dass eine Menge des Geldes, das sie verdienen, den unterstützten Organisationen zugute komme, dass man nun mal Kommerz und die gute Sache miteinander in Einklang bringen müsse. Und schließlich: Macht es nun wirklich einen großen Unterschied, ob man sich in einer No-Name- oder einer Calvin-Klein-Unterhose gegen die Todesstrafe einsetzt?
Die bestimmt 6.000 Leute in der Arena haben jedenfalls kein Problem mit Kartenpreisen, Sony-Deals oder Calvin-Klein-Unterhosen, es geht ja auch um die Kraft der Musik. Ihr Erscheinen allein muss man als ein Statement verstehen. Schon lange hat man nicht mehr so viele Leute mit kurzen, zum Zopf gebundenen oder zu Rasta-Löckchen gedrehten Haaren auf einem Haufen gesehen, mit Ziegenbärten, Kapuzenpullis und HipHop-Schlabberhosen. Vom braven Zivildienstleistenden bis zu einstigen Hausbesetzern aus der Rigaer oder Scharnweberstraße ist alles vertreten, Stammgäste aus Läden wie dem Supamolly, dem Tommy-Weißbecker-Haus oder dem SO 36, überwiegend Männer natürlich.
Wie bei Konzerten dieser Größenordnung üblich, werden Asian Dub Foundation als Vorband verheizt, die meisten hören nicht einmal einen Ton ihres ausgezeichneten Ethno-Metal-Pop-Cross-over. Das auch, weil die Veranstalter draußen sich Zeit lassen mit dem Einlass, was Rage Against The Machine wiederum zum Anlass nehmen, auf sich warten zu lassen.
Als es dann losgeht, bebt es bis in die hintersten Reihen. Da wird in der ganzen Halle auf- und niedergehoppelt, da geht es vorn sofort los mit dem Diven. Bass, Gitarre, Schlagzeug und die Stimme von Sänger Zack De La Rocha, mehr ist nicht, und trotzdem steckt eine ziemliche Wucht drin in diesem Kreuzüber aus Funkmetal und Rap. Ein Sound, der nicht gerade der letzte Schrei ist, doch noch mehr als auf den Rage-Platten merkt man live, was er für eine Wucht und Energie entwickeln kann, wie er saugt und Spaß macht.
Natürlich bleibt dabei von den Botschaften von Rage Against The Machine nicht viel übrig. Reichen müssen da im Hintergund der Bühne die Silhoutte des Mannes mit seiner erhobenen Faust, das Motiv des Albumcovers, dessen Titel die Band hier in „The Battle Of Berlin“ umgewandelt hat, sowie zwei große rote Sternenbanner rechts und links der Bühne.
Die Band, die sich in Auftreten, Habitus und Kleidung kaum von ihren Fans unterscheidet, leistet musikalische Schwerstarbeit und verzichtet auf Ansprachen, Solidaritätsbekundungen oder Ähnliches. Songs wie das frenetisch bejubelte „Bullet In The Head“ oder „Guerilla Radio“ sprechen auch Bände, wenn man die Lyrics nicht versteht. Wird dann mal eine Zeile wie „war against the American dream“ mehrfach wiederholt und auch verstanden, strecken alle begeistert und rhythmisch die Mittelfinger in die Höhe. Das passt, das sitzt, und auch wenn hier und heute keine Revolution stattfindet, dürfen Band und Publikum sich einbilden, zumindest eine kleine Schlacht geschlagen zu haben.
Leider sind die Schlachten in Berlin nun oft andere als die in Los Angeles oder Mexiko, so leicht lassen sich Zeichen nicht austauschen. Doch besser als einfach nur rumstehen und gelangweilt mit dem Kopf nicken ist es allemal.
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