Coming home

■ (Fast) neu im Kino: Im vielgerühmten kana-dischen Film „The hanging garden“ stößt der schwule Willy auf sein jugendliches Alter Ego

Es ist Hochzeit. Jener himmlische Moment, wo in den meisten Filmen Altarengel wie Brautpupillen glitzern und die Celli sotto voce einfallen, schrumm-schrumm. Doch „The Hanging Garden“ (1997) ist kein wie-die-meisten-Filme-Film, sondern ein Meisterfilm. Und dabei zeigt er doch nur eine schrecklich(e) normale Familie, Al-Bundy-like. Wieder mal. Hier also weint die Braut nicht, hier flucht sie, stapft grazil wie ein Bauarbeiter zum Freiluftaltar, nuckelt dabei an der Bierflasche und ent-sorgt diese im nächsten Busch. Das ist deftig lustig. Stichwort Bierflasche: Sie ist eine Art Leitmotiv des mit Preisen überhäuften auf Schwulenfilmfestivals bejubelten Films – ebenso wie das Wörtchen „Du Idiot“ und die Farbe Lila. Handtücher, Hemden, Vorhänge, alles plüschig-lila.

Die Komplementärfarbe zu Lila aber ist Grün, und so fungieren Büsche, Bäume und pathetisch aufspringende Blumenknospen als stets unterschwelliges Gegenbild zur trashigen Familie der Braut. Diese lebt nämlich im Grünen, in der kanadischen Provinz, in einem putzigen Holzhäuschen am Rand der Meeresklippe. Aber nur manchmal schwenkt die Kamera hinaus in die Unendlichkeit, ruhig, erhaben, sentimental, zu einem kleinen räudigen Schifflein, weit draußen in der Fremde. Doch am Schluss ringt sich der Film zu einem Schuss Utopie durch: „Weißt Du wie ein Lebensbaum aussieht?“ - „Du Idiot.“ Und die Kamera zoomt wiedermal in ein wirres, unspektakuläres Blätterchaos.

Es ist Hochzeit. Und Brautbruder William kehrt nach zehn Jahren zum ersten Mal zu seiner Familie zurück: zur Oma, in deren alzheimerisiertem Hirn nur noch ein biss-chen Marienverehrung und Verfolgungswahn (“Wer hat mein Porzellankätzchen geklaut.“) überlebten; zum Daddy, der seit jeher nur zu seinen Pflanzen lieb ist; zur kleinen Schwester, die mit ihrem erzieherischen Eros hilflose Hunde quält. Und selbst der Hund des Hauses hat Ego-Probleme: Er leidet unter Blasenschwäche und schämt sich.

Das klingt schwer nach Instant-Charakteren, in die Typenfalle tritt Thom Fitzgerald in seinem Debütfilm aber nicht. Einst, vor langer Zeit, entdeckte die Mutter die schwulen Neigungen des dicken William. Statt zu zetern schickte ihn die resolute Dame zu einer Nutte zwecks Aufklärung. Jetzt, nach seiner Rückkehr, ist Williams Homosexualität kein Problem mehr. Eigentlich. Doch Erinnerungen weben sich unentflechtbar in die Gegenwart.

Aus dieser unspektakulären Konstellation wird ein lustiges und melancholisches, deprimierendes und hoffnungsschwangeres, angeekeltes und liebevolles Kammerspiel. Wie Kurzheimkehrer William zwischen Nähe und Distanz pendelt, tut es die Kamera, guckt durch Fensterscheiben oder Stuhllehnen hindurch und an Tischbeinen vorbei auf das runzelige, ver-soffene Fleisch. Und dann klebt sie plötzlich nahe dran, zum Beispiel an den Regalen mit tausenderlei Nippessachen. bk

Kino 46, 18./19.2. um 22.30 Uhr, 20./21.2. um 20.30 Uhr