: Das Patentamt klont seine Fehler
■ Das Europäische Patentamt hat versehentlich ein Verfahren zur Genmanipulation beim Menschen patentiert. Nicht sein erster Alleingang bei der Kommerzialisierung von Leben
Wieder einmal hat das Europäische Patentamt (EPA) in München die Vorreiterrolle bei der Ausweitung der Patentierung von Lebewesen übernommen. Nachdem es schon eigenmächtig entschieden hatte, Patente auch für genmanipulierte Tiere und Pflanzen zu erteilen, ist diesmal der Mensch dran. Unter dem Aktenzeichen EP 695351 hat die australische Firma Stem Cell Sciences zusammen mit der Universität Edinburgh ein Patent erteilt bekommen, das auch gentechnisch manipulierte Menschen mit einschließt.
„Ein beispielloser Tabubruch“, kritisiert Christoph Then, Gentech-Experte bei Greenpeace, die Entscheidung des EPA: Damit sei „der im Labor produzierte und patentierte Mensch deutlich näher gerückt“. Seine Forderung: Dieses Patent müsse sofort zurückgezogen werden. Die Brisanz des Patentes erschließt sich erst auf den zweiten Blick. In der Patentschrift wird der schottischen Uni ein Verwertungsschutz für die Genmanipulation von embryonalen Säugetierzellen und den daraus enstandenen Lebewesen zugestanden. Was zunächst nur wie ein Patent für Tiere aussieht, entpuppt sich erst im letzten Absatz als ein Patent, das auch den Menschen betrifft. Es umfasst unter anderem ein Verfahren, mit welchem Zellen aus Embryonen entnommen werden können, sowie die genetische Manipulation dieser Zellen. Erst im letzten Anspruch, dem Claim 48 – „Claim“ werden die aufeinander aufgebauten Schutzrechte genannt –, wird dann auch ausdrücklich der Mensch genannt. Dort heißt es nach Angaben von Greenpeace, dass das Patent „alle Zellen von Tieren, insbesondere von Säugetieren, einschließlich des Menschen“, umfasst. Unter Patentschutz fällt somit auch die Entnahme von Zellen menschlicher Embryonen, die genetische Manipulation dieser Zellen sowie die Züchtung gentechnisch veränderter Menschen aus diesen Zellen.
Bisher noch hat sich kein Wissenschaftler daran gewagt, bei einem Menschen auch die Keimbahn zu manipulieren. Werden zusätzliche Gene in die Fortpflanzungszellen eingeschleust, so würden die neuen Gene auch an alle darauf folgenden Generationen weitergegeben. Auch wenn vereinzelt Wissenschaftler fordern, dass eine Keimbahntherapie möglich sein müsse: In den meisten Staaten ist sie ausdrücklich verboten. In Deutschland wird der Keimbahneingriff im Embryonenschutzgesetz untersagt.
Auch in die seit Jahren umstritten EU-Richtlinie für biotechnologische Erfindungen ist nach heftigen Diskussionen extra ein Paragraf aufgenommen worden, der einen Patentschutz für Keimbahneingriffe ausschließt. Das EPA, das auch von einigen Nicht-EU-Staaten getragen wird, ist zwar nicht an die Brüsseler Richtlinie gebunden, hat aber im vorigen Sommer unter anderem das Patentverbot für Keimbahnmanipulationen zur Grundlage seiner Politik gemacht. Mit dem Patent für die Universität Edinburgh, so Then, habe es eindeutig gegen seine eigenen Regeln verstoßen.
Dumm gelaufen, heißt es nun beim EPA in München. Die Patenterteilung sei ein „schwerer Fehler“ gewesen, meint Christian Gugerell, der in dem Münchner Amt für die Sparte Biotechnologie zuständig ist. Und EPA-Sprecher Rainer Osterwalder meint, „wenn dort tatsächlich auch ein Anspruch auf Menschen formuliert wurde, dann hätte das Patent in der jetztigen Form nicht erteilt werden dürfen“. Wer nun aber daran schuld ist, dass das Patent doch erteilt wurde, kann der EPA-Sprecher nicht beantworten: „Das lässt sich nicht mehr rekonstruieren.“
„Das Patent ist am 8. Dezember rechtskräftig geworden“, so Osterwalder, das EPA könne das Patent nicht mehr zurückholen oder nachträglich einschränken. Es gibt nur noch einen Weg, die Patenterteilung ungeschehen zu machen. Gehen in den nächsten Monaten Einsprüche gegen die Patenterteilung ein, muss das EPA neu entscheiden. Greenpeace hat bereits Einspruch angekündigt.
An einen Fauxpas des EPA will Christoph Then nicht glauben. Er ist davon überzeugt, dass das EPA ganz bewusst den Anspruch auch auf menschliche Embryonalzellen in der Patentschrift hat stehen lassen. So hatte der Verwaltungsrat des EPA vor einigen Monaten beschlossen, künftig auch Patente für Tiere und Pflanzen zu vergeben. Und das, obwohl im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) eindeutig formuliert ist, dass auf „Tierarten und Pflanzensorten“ keine Patente vergeben werden dürfen. Diese Entscheidung ist kurze Zeit darauf von der Großen Beschwerdekammer des EPA mit der Patenterteilung für eine von Novartis angemeldete Gentech-Pflanze bestätigt worden.
„Es ist schließlich auch nicht das erste Mal, dass das EPA ein Patent vergeben hat, das auch den Menschen mit einschließt“, so Then. Damals ging es um stressanfällige Säugtetiere. Und damals schon hieß es: Sorry, das passiert nicht wieder. Wolfgang Löhr
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