: Ernste Diskussion
Betr.: „Den Prüfern eine schmieren“ und Kommentar, taz hamburg vom 24.Februar 2000
Wieder eine Abrechnung mit der eigenen Schule von einer schwer schultraumatisierten Journalistin, die ohne saubere Recherche zu absolut unsinnigen Verallgemeinerungen kommt? Eigentlich mehr ein weiteres Zeugnis von weitgehender Unwissenheit im Bereich Schule - Ausbildung. Als Anleiter von fast zwei Dutzend ReferendarInnen an vier Hamburger Schulen (und aus eigener Erfahrung als Referendar) verblüffen mich eure „symptomatischen Brötchen“ doch einigermaßen.
Weder ist die Lehrprobe eine Hinrichtung, noch sind Prüfer Henker, eine „Henkersmahlzeit“ also nicht erforderlich und natürlich auch nicht „üblich“. Eine ernstzunehmende Diskussion über die Ausbildungssituation von ReferendarInnen in Hamburg sollte allerdings mit aller Deutlichkeit sachlich, engagiert und ohne Scheu vor den keineswegs immer sehr kompetenten Seminarleitern geführt werden.
Das versäumt der Artikel völlig und startet lieber eine „Brötchendiskussion“, statt sich mit den eigentlichen Problemen von ReferendarInnen zu beschäftigen, so zum Beispiel dem Zwang zu eigenverantwortlichem Unterricht (unpassenderweise und entlarvend „bedarfsdeckend“ genannt, was natürlich nichts anderes bedeutet als die Einsparung von Lehrerstellen) bereits im ersten Ausbildungsjahr, also ohne Erfahrung und meist ohne Feed-back – für den Referendar/die Referendarin und die Schüler eine Zumutung, die mit pädagogischer Verantwortung nichts mehr zu tun hat.
Aus diesem bedarfsdeckenden Unterricht ergibt sich auch die Notwendigkeit eines Wegfallens der Unterrichtsbefreiung während der Hausarbeit für das zweite Staatsexamen, also: eigenverantwortlicher Unterricht, angeleiteter Unterricht, Besuch von Haupt- und Fachseminaren und das Anfertigen einer längeren schriftlichen Arbeit, all das hat für eine gewisse Zeit parallel stattzufinden. Hier muss sich etwas ändern! Hierüber muss gesprochen werden!
Dagegen sind ein paar geschmierte Brötchen, die vielleicht auch mal von verantwortungslosen Prüfern gefordert sein mögen, eher eine lächerliche Lappalie. Und den Typus Mensch, der glaubt, nur kriechend voranzukommen, gibt es in allen Berufsgruppen.
Claus-Peter Holste-von Mutius
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