: War da was oder war da nichts?
■ Tanz-Bremen-Festival I: Die deutsch-amerikanische Company Howard Katz Fireheart gastierte im Schauspielhaus mit einem als „Märchen für Erwachsene“ annoncierten Stück. Es entpuppte sich aber vielmehr als getanztes Nichts
Ein Mensch, aber unzählige Talente – eine schwierige Konstellation. Der US-Amerikaner Howard Katz Fireheart löst das Dilemma ganz schlicht. Er ist einfach alles: Kampfsportlehrer und New Yorker, Sänger und Tänzer, Choreograph und Komponist, Performer, Music-Label-Chef und Berliner. Mit seiner kürzlich ins Leben gerufenen Band „Post Holocaust Pop“ hat der in Brooklyn aufgewachsene Jude eine zwischen Minimal Music und Techno pendelnde CD eingespielt. Fast gleichzeitig hat er in Berlin, wo er seit 1996 lebt und in kürzester Zeit zum Szene-Tausendsassa mutiert ist, ein „postmodernes Musical“ auf die Bühne gebracht.
Und so, als reichte diese Hyper-aktivität nicht schon als Beleg für die ausgeprägte Allergie des Künstlers gegen das Abhängen in der berüchtigten sozialen Hängematte, hat er vor zwei Jahren auch noch „Fake Book“ choreographiert – ein als „Märchen für Erwachsene“ und „Erotic Slapstick & Other Sociological Puzzles“ annonciertes Tanzstück, das jetzt als Gastspiel im Bremer Schauspielhaus zu sehen war.
Drei in graue, frackähnliche Kleidung gehüllte Männer – neben Fireheart waren da noch Jean Marc Lebon und Alexander Ambite y Mensen – üben sich auf nackter Bühne im vielschichtigen Beziehungsringkampf. Allenfalls als Fragment ist so etwas wie eine „Geschichte“ erkennbar. Zwei Tänzer finden immer wieder zu einer temporären Gemeinschaft zusammen, liebkosen und schlagen, imitieren und verknoten sich, während der Dritte im Hintergrund ein solistisches Eigenleben führt. Die routinierte Zweisamkeit, wo der Eine dem Anderen in Slapstick-Manier gar als Kaffeemaschine, Stuhl und Fernsehgerät dient, endet mit dem Eindringen des Dritten. Jeder der drei Charaktere ist im weiteren Verlauf gezwungen, neue Beziehungsmuster zwischen Solo und Trio auszuprobieren.
So vage der Inhalt, so konturlos sind die choreografischen Bilder, mit denen „Fake Book“ arbeitet. Über weite Strecken wirkt die 70-minütige Inszenierung wie eine eher beliebige Aneinanderreihung von zum Teil durchaus anmutigen Bewegungssequenzen, gepaart mit verbalen Einsprengseln, bei denen singend oder brüllend englisch und eine Phantasiesprache miteinander verrührt werden. Das Stück spielt mit einer Art Hermeneutik des Verdachts: Ehe die ZuschauerInnen vollends überzeugt sind, einer überwiegend sinnfreien Darbietung beizuwohnen, fallen plötzlich bedeutungsschwangere Sätze wie „I wan't to change“ oder „Themes haven't change since 2000 Years“. Und schon keimte beim Betrachtenden der letztlich unbegründete Verdacht, alles sei doch ganz anders, als man zuvor noch gemutmaßt hatte. Allein die von Matthias Hermann mit diversen Utensilien live erzeugte, zwischen Minimalismus, Techno und Romantik changierende Musik verlieh den formal wie inhaltlich allenfalls lose verbundenen Sequenzen eine gewisse Geschlossenheit. Doch auch der spannungsreiche Sound konnte nicht vergessen machen, dass „Fake Book“ einer Loseblattsammlung glich, in der sich ein Multitalent hoffnungslos verzettelt hatte. Das Publikum applaudierte dennoch heftig. zott
Das Festival „Tanz Bremen“ endet am Wochenende. Heute Abend sind im Schauspielhaus Kurzchoreographien Bremer TänzerInnen zu sehen (20 Uhr). Zum Abschluss gastiert am Sonntag Rui Horta im Schauspielhaus (20 Uhr). Karten gibt es unter Tel.: 35 36 37; Infos unter www.tanz-bremen.de .
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