: Was lange währt, wird endlich schlecht
■ Die Uraufführung der Auftragskomposition des berühmten Wolfgang Rihm geriet zur herben Enttäuschung. Bei Bruckner glänzte das Philharmonische Staatsorchester dann doch
Was lange währt, wird nicht unbedingt endlich gut. Seit vier Jahren arbeitet der viel beschäftigte, viel produzierende und viel verdienende Wolfgang Rihm an dem Kompositionsauftrag für die Philharmonische Gesellschaft Bremen. Ein Klavierkonzert sollte es ursprünglich sein, das Emma Schmidt spielen sollte. Dann bot Wolfgang Rihm eine weitere Fassung seines Orchesterstückes „ins offene“, was die Bremer verständlicherweise nicht wollten. Schließlich sollte die Komposition etwas besonderes für Bremen sein. Vor zwölf Tagen kam die Bestellung in der Hansestadt an und erklang nun als Uraufführung durch das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Günter Neuhold.
Neuhold hat die eruptive Musik von Rihm schon mehrfach dirigiert und auch auf CD eingespielt. Leider wurde der mit solcher Spannung erwartete Termin eine herbe Enttäuschung, wobei ich hier nicht zu entscheiden wage, was davon der Komposition, was der Interpretation anzulasten ist. „Im Anfang“ beginnt mit einer brucknerähnlichen Klangfläche, auch die ersten Hornmotive beziehen sich auf dessen neunte Sinfonie. Hinten auf den Emporen sind die Bläsergruppen postiert. Aus diesen beiden Elementen entstand aber nun kompositorisch – gelinde gesagt – wenig. Das quälte sich an- und abschwellend hin und war so schnell vorbei, dass man völlig verblüfft war. Gerade die kompositorische Auseinandersetzung mit älteren Komponisten hat so viele Vorbilder, da Rihm es sich so leicht nicht hätte machen dürfen. Ich möchte nicht wissen, was die Philharmonische Gesellschaft dafür bezahlt hat.
Wolfgang Rihm war nicht gekommen, dafür stürmte ein anderer nach der Aufführung von Bruckners Neunter zum Verbeugen und Günter Neuhold-Umarmen und der Konzertmeisterin-eine-Blume-geben auf die Bühne, als hätte er gerade eine Uraufführung abgeliefert: Gunnar Cohrs, der zum vierköpfigen Autorenteam der Rekonstruktion des unvollendeten Finales gehörte. Angesichts der bereits 1991 fertiggestellten, inzwischen für Aufführungen auch üblichen Fassung, angesichts auch der Menge der Instrumentation (achtzig Takte von 687) bei recht klaren Skizzen Bruckners ein reichlich übertriebenes Gebahren.
Schon mit der Interpretation der sechsten Sinfonie hatte sich Günter Neuhold als großer Archtitekt der blockhaften Sinfonik Bruckners erwiesen. Auch in der Neunten überzeugten grundsätzlich die Logik der Aufbauten, die Meißelung der Blöcke: das A und O dieser gewaltigen, auch gewalttätigen Musik. Zwar hat der siebzigjährige Bruckner diese Sinfonie dem lieben Gott widmen, seinen „Abschied vom Leben“ komponieren wollen, doch welch bitteren Kommentar das fernab aller Frömmelei auch zur nicht eben guten Entwicklung der Welt 1894 bedeutet, zeigt das kompromisslose Scherzo.
Wie Günter Neuhold diese martialischen Rhythmen geradezu herauspeitschte, stellte den Satz inhaltlich in den Mittelpunkt. Aber auch die Kontrastcharaktere des Kopfsatzes standen ungeschönt, ungemildert, ja schroff im Raum, stets wurde eine Atmosphäre untergründiger Nervosität erzeugt. Eine höchst beeindruckende Wiedergabe: mit zwanzig (!) Aushilfen im Staatsorchester. Das sei an dieser Stelle deswegen mitgeteilt, weil in diesen Tagen nun das Berliner Gutachten über das Philharmonische Staatsorchester diskutiert wird. Wir kommen an dieser Stelle noch darauf zurück. Ute Schalz-Laurenze
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