Bericht des Weltklimarates: Auftritt der Skeptiker

Der neue IPCC-Bericht bringt keine Entwarnung. „Klimaskeptiker“ verharmlosen die Ergebnisse.

Der Klimawandel kommt. Leugnen hilft nicht. Bild: reuters

DEUTSCHLAND zeo2 | Es ist wieder soweit: Heute beginnt die Verabschiedung des ersten Teiles des Berichts des Weltklimarats IPCC, der sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels befasst. Die darauf aufbauenden Teile zwei (über die Klimafolgen) und drei (zu möglichen Gegenmaßnahmen) folgen im März und April nächsten Jahres.

Seit dem ersten Bericht von 1991 erscheinen alle fünf bis sieben Jahre diese umfangreichen Zusammenfassungen des wissenschaftlichen Kenntnisstandes zum Klimawandel. Zu den IPCC-Berichten gehören auch die verharmlosenden Um- und Wegdeutungsversuche der zugegebenermaßen unerfreulichen wissenschaftlichen Erkenntnisse in einigen Medien und im Internet.

Das gehört mittlerweile zu den gewohnten Ritualen und beginnt schon vor Erscheinen der Berichte. Gerne werden dazu „geleakte“, interne Entwurfsfassungen verwendet, obwohl (oder weil) diese noch nicht fertig sind und die Autoren sich deshalb dazu auch nicht öffentlich äußern. Im Zuge der Fachbegutachtung ergeben sich noch zahlreiche Änderungen, auch Fehler werden dabei noch entdeckt und beseitigt.

Ein vorläufiger Platzhalter

So feierten die „Klimaskeptiker“ eine Grafik aus dem Entwurf des aktuellen Berichts, die den Eindruck erweckte, die beobachtete Temperaturentwicklung sei in letzter Zeit hinter den früheren IPCC-Vorhersagen zurückgeblieben. Das Problem: Die Grafik war nicht nur groß als vorläufiger Platzhalter gekennzeichnet, sondern auch schlicht fehlerhaft, wie Blogger wie der renommierte Statistiker Grant Foster sogleich aufzeigten.

Tatsächlich bewegen sich die Messdaten voll im Rahmen der IPCC-Prognosen – das war zuvor auch schon von Foster und mir in der Fachliteratur belegt worden. Es ist interessant, wie viele „Klimaskeptiker “ einer vorläufigen Entwurfsgrafik des verhassten

IPCC mehr Glauben schenken als der begutachteten Fachliteratur. In der Endfassung des IPCC-Berichts ist natürlich ein korrekter Vergleich von Messdaten und früheren Prognosen enthalten. Im Juli brachte die Zeitschrift The Economist einen Artikel, in dem aus einer Tabelle aus dem Entwurf des fünften IPCC-Berichts gefolgert wurde, der IPCC erwarte jetzt bei gleicher CO2-Konzentration eine deutlich geringere Erwärmung als noch der vierte IPCC-Bericht.

Der Meeresspiegel steigt ungebremst weiter. Bild: dpa

Auch das war nicht nur unverantwortlicher Journalismus, wie der US-Klimaforscher Kevin Trenberth kommentierte, sondern schlicht falsch. Denn der Autor des Artikels hatte einfach Äpfel mit Birnen verglichen. Ozeane reagieren träge, sie brauchen Zeit, um die Treibhauswärme aufzunehmen.

Deshalb beträgt die im Jahre XY messbare Erwärmung nur etwa zwei Drittel der Erwärmung, die von der im selben Jahr vorhandenen Treibhausgasmenge insgesamt verursacht wird. Das letzte Drittel des Temperaturanstiegs kommt in den dann folgenden Jahrzehnten erst noch dazu. Es ist also kein Wunder, dass die Zahlen für das Jahr 2100 um ein Drittel „zu niedrig“ waren – keinerlei neue Erkenntnis.

Die IPCC-Berichte werden von Tausenden Forschern in freiwilliger und unbezahlter Arbeit erstellt. Sie sind ein Vorbild dafür, wie eine wissenschaftliche Community das aktuelle Wissen zu einem komplexen Thema für eine breitere Öffentlichkeit aufbereiten kann. Bei anderen Fragen, wie Landwirtschaft oder Biodiversität, folgt man inzwischen diesem Modell.

Über Zehntausend Fachartikel im Jahr

Denn die Fachliteratur wächst rasant an und wird immer unübersichtlicher: Zum Thema Klima erscheinen jedes Jahr Zehntausende Fachartikel in den wissenschaftlichen Journalen. Der Normalbürger bekommt über die Medien davon nur ein winziges Fragment mit – und dies oft noch verzerrt. Der IPCC-Prozess hat aber auch Schwächen.

Zunächst ist er sehr aufwändig. Die Arbeit an einem Bericht dauert drei Jahre, in mehreren Begutachtungsrunden werden Zehntausende Gutachterkommentare eingeholt und berücksichtigt. Die rund 1.000-seitigen Bände sind für Laien nur mühsam zu lesen. Hauptzielgruppe sind letztlich Experten, die etwa in Umweltministerien oder Verbänden am Thema Klimawandel arbeiten.

Durch das Konsensprinzip beim Schreiben der Berichte kommt zudem notwendigerweise ein „kleinster gemeinsamer Nenner“ heraus – in der Fachwelt gelten die IPCC-Berichte weithin als „konservativ“ bis übervorsichtig formuliert. Gravierende Entwicklungen, wie der arktische Eisschwund und der Anstieg des Meeresspiegels, wurden unterschätzt, die Messdaten haben dort frühere IPCC Prognosen längst überholt.

Trotzdem bieten die IPCC-Berichte eine äußerst wertvolle Übersicht, sogar für Forscher, als Einstieg in Aspekte des Klimawandels, mit denen man sich noch nicht befasst hat. Zu Recht bilden die IPCC-Berichte die allseits anerkannte wissenschaftliche Grundlage für die (leider schleppend verlaufenden) Verhandlungen über ein Klimaschutzabkommen. Genau wegen dieser Bedeutung werden die IPCC-Berichte von interessierter Seite so gerne angegriffen oder für die eigenen Interessen umgedeutet.

Es wird immer wärmer. Bild: dpa

Man denke nur an die massiven Attacken auf den IPCC Anfang 2010, die aus „Klimaskeptiker“-Kreisen lanciert und mit Schlagworten wie Climategate, Amazongate oder Africagate skandalisiert wurden. Leider verbreiteten zahlreiche Medien diese Vorwürfe unkritisch und ungeprüft weiter; einige Artikel mussten später zurückgezogen werden.

Ein knappes Jahr später resümierte die Zeit völlig zu Recht, dass sich nach diversen Untersuchungen die ganze Affäre „in Luft aufgelöst“ hatte, die Medien aber kaum über die Aufklärung der Vorwürfe berichtet hatten. Die Umdeutungen des IPCC-Berichts zeigen einen Trend zur Verharmlosung, der aber weder durch den neuen Bericht selbst, noch durch die aktuellsten Daten und Erkenntnisse aus der Klimaforschung gerechtfertigt wird.

Die Meere heizen sich derzeit besonders rasant weiter auf, wie gerade die neuesten Daten zeigen. Der Meeresspiegel steigt ungebremst weiter. Im Sommer 2012 gab es so wenig Eis auf dem arktischen Ozean wie nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Gletscher schwinden immer schneller, und die Wetterextreme nehmen zu. Es gibt leider keinen Grund zur Entwarnung – so sehr sich das mancher auch wünschen mag. Aber von Wunschdenken sollten wir uns bei der Einschätzung unserer Lage ohnehin nicht leiten lassen.

Stefan Rahmstorf forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Sein Spezialgebiet: Klimawandel und Meeresspiegel. Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 4/13.

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