: Töten durch Schütteln
■ Lübecker Staatsanwaltschaft sieht keine gestiegene Gewalt gegenüber Kleinkindern – trotz dreier Fälle in 8 Wochen
Die aktuellen Todesfälle von Säuglingen in Schleswig-Holstein sind nach Ansicht der Lübecker Staatsanwaltschaft kein Indiz für eine zunehmende Gewalt gegenüber Kleinkindern. „Drei solcher Fälle innerhalb von acht Wochen, das ist eine ungewöhnliche Häufung, aber das kann auch reiner Zufall sein“, sagte die ermittelnde Staatsanwältin Heike Schulz ges-tern.
Die Behörde ermittelt zur Zeit in drei Fällen, in denen Kinder im Alter von drei und vier Monaten vermutlich an den Folgen eines so genannten Schütteltraumas gestorben waren. Die Obduktion der Kinder hatte als Todesursache Blutungen zwischen harter und innerer Hirnhaut ergeben. Solche Verletzungen entstehen nach Angaben von Experten, wenn Babies heftig hin und her geschüttelt werden, etwa um ein schreiendes Kind ruhig zu stellen.
Normalerweise werde ein solcher Fall im Landgerichtsbezirk Lübeck etwa einmal im Jahr festgestellt, sagte Schulz. Die Dunkelziffer sei relativ gering. „Die Staatsanwaltschaft ordnet bei Babies und Kleinkindern automatisch eine Obduktion an, wenn nicht eine Krankheit offenkundige Todesursache ist“, sagte sie. Ob in allen drei Fällen, die die Staatsanwaltschaft zur Zeit beschäftigen, Anklage erhoben werde, stehe noch nicht fest. Falls es zur Anklage komme, könnte die, abhängig von den Gesamtumständen, auf Körperverletzung mit Todesfolge, aber auch auf Totschlag oder auf Körperverletzung lauten, erläuterte die Staatsanwältin.
Das Schütteln der Kinder sei meist ein Zeichen der Überforderung, keine vorsätzliche Misshandlung, sagte die Staatsanwältin weiter. Die jetzt betroffenen Familien seien keine „Problemfamilien“. „Es gibt einfach ein Tabu, das gebrochen werden muss. Eltern müssen offen darüber sprechen dürfen, dass sie sich durch ihr Baby in bestimmten Situationen überfordert fühlen, und sie müssen um Hilfe bitten dürfen“, sagte Schulz.
Die CDU in Schleswig-Holstein fordert deswegen eine Vernetzung aller Krankenhauscomputer, „damit Menschen, die ihre Kinder misshandeln, ihre abscheulichen Verbrechen nicht mehr vertuschen können, indem sie jedes Mal ein anderes Krankenhaus aufsuchen“. Die CDU spricht von jährlich 20 bis 30 Fällen im Land, die tödlich enden, bei „uneinschätzbarer Dunkelziffer“. lno
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