: 40 Jahre strahlende Zukunft
Betreiber des Atomkraftwerks Gundremmingen beantragen Zwischenlager mit 50 Prozent höherer radioaktiver Lagerkapazität als in Gorleben. Das sei ein Indiz für die geplante lange Laufzeit, bestätigt Bundesamt für Strahlenschutz
von KLAUS WITTMANN
Die Betreiber des größten deutschen Atomkraftwerks, Gundremmingen, – die RWE und das Bayernwerk – pokern hoch. Sie haben im Februar ein Zwischenlager für atomare Abfälle beantragt, das, gemessen am radioaktiven Potenzial, eine größere Gesamtmenge aufnehmen soll als das zentrale Zwischenlager in Gorleben. Das bestätigt jetzt das Bundesamt für Strahlenschutz. Die Atomkonzerne lancieren damit eine neue Provokation angesichts der Verhandlungen mit der Bundesregierung um den Ausstieg.
Als die Aktivisten von Greenpeace gestern gerade dabei waren, ihren Großprojektor in Gundremmingen abzubauen, wo sie einige Stunden lang gegen billigen Atomstrom protestiert hatten, waren die neuen Zahlen noch nicht bekannt. Doch was der Verein „Energiewende atomkraftfreies Schwaben“ recherchiert hat, birgt eine Menge Zündstoff, zumal gegen die Zwischenlagerpläne von verschiedenen Seiten Widerstand angemeldet wurde.
„Es ist richtig. Beantragt wurde für Gundremmingen eine Strahlungsmenge von 3 mal 10 hoch 20 Becquerel. Die Anträge für andere Zwischenlager lauten etwa auf die Hälfte oder zwei Drittel dieses Wertes“, bestätigt der Leiter des Präsidialbereichs beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Karl Ammansberger. Das sei in der Tat ein Wert, der die genehmigte Menge an radioaktivem Inventar von Gorleben noch um 50 Prozent übersteige.
Die „Energiewende“ greift die Betreiber von Gundremmingen scharf an. Dies vor allem vor dem Hintergrund eines zweiten Vorhabens, nämlich einer deutlichen Leistungssteigerung. Die Bevölkerung würde hinters Licht geführt. Schon im Normalbetrieb würde mehr Radioaktivität über den Schornstein abgegeben „und der Atommüll wird noch giftiger und strahlender“. Die Sprecherin der neu gegründeten Mütterinitiative „Bürger in Bewegung“, Petra Semet, meinte in einer ersten Stellungnahme: „Wir machen uns Sorgen um unsere Kinder, und wir fühlen uns verunsichert, sind misstrauisch.“
Auch im Bundesamt für Strahlenschutz ist man von der beantragten Größe der Zwischenlager überrascht. BfS-Sprecher Ammansberger meinte, man könne sich ja leicht ausrechnen, „dass es sich um Betriebszeiten von weiteren 40 Jahren“ handle, wenn damit ernst gemacht würde. Eine der ersten Prüfungen im BfS sei allerdings die Bedürfnisprüfung, also die Frage, ob die Antragsteller denn ihren Anspruch auch wirklich glaubhaft machen könnten.
Vor vier Wochen hatte der Werksleiter des Atomkraftwerks Gundremmingen, Gerd von Weihe, die Frage nach dem geplanten radioaktiven Potenzial noch brüsk zurückgewiesen. „Die Frage, die akzeptiere ich schon gar nicht, weil das eine falsche Frage ist. Denn als Nächstes wird das dann mit der Freisetzung von Tschernobyl verglichen – und diese Assoziation ist falsch.“ Sein Pressesprecher erklärte jetzt, auf die bekannt gewordenen Zahlen angesprochen, „3 mal 10 hoch 20 ist eine vernünftige Auslegung. Unseres Erachtens ist das nicht zu hoch!“
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