: Baskische Regierung allein zu Haus
Der Versuch der regierenden baskischen Nationalisten, sich der ETA anzunähern, ist vorerst gescheitert
MADRID taz ■ Seit dem Wochenende verfügt das Baskenland über keine stabile Regierung mehr. Das ETA-nahe Wahlbündnis Euskal Herritarrok (EH) kündigte an, nur noch dann an den Sitzungen des baskischen Autonomieparlaments teilzunehmen, wenn dieses „über Schritte zum nationalen Aufbau“ verhandelt. Und so hat der Chef der Autonomieregierung, Juan José Ibarretxe, keine Mehrheit mehr.
Die Minderheitsregierung aus Ibarretxes Baskisch-Nationalistischer Partei (PNV) und der Baskischen Solidarität (EA) verfügt jetzt nur noch über 27 der insgesamt 75 Sitze – drei weniger als die beiden großen Kräfte, die Sozialistische PSOE und die in Madrid regierende Volkspartei (PP), zusammen.
Das Anliegen der PNV, das Baskenland zu befrieden und die Linksnationalisten einzubinden, ist damit endgültig gescheitert. Die wiederholten Aufrufe der gemäßigten Nationalisten an die ETA, nach den tödlichen Anschlägen zu Beginn des Jahres die Waffen erneut niederzulegen, blieben erfolglos.
Die Separatisten werfen den gemäßigten Nationalisten „eine völlig undurchsichtige Politik“ vor. Anstatt die ETA-Waffenruhe auszunutzen, um „den nationalen Wiederaufbau des Baskenlandes“ voranzutreiben, habe die baskische Regierung „die Interessen Spaniens verwaltet“. Der Grund für die harsche Kritik: ETA hatte von der PNV vergebens geheime Wahlen für eine konstituierende Versammlung nicht nur der drei Provinzen der baskischen Autonomie, sondern auch im benachbarten Navarra und dem französischen Teil des Baskenlandes verlangt.
Sowohl PP als auch PSOE verlangen jetzt von Ibarretxe, entweder Neuwahlen auszuschreiben oder die Vertrauensfrage zu stellen. Der Regierungschef lehnt beides ab. Er möchte zumindest bis zu seinem Rechenschaftsbericht im Parlament nach der Sommerpause ausharren. Zu stark ist die Angst vor einem Wahlsieg der in Madrid regierenden PP. Diese zog bei den gesamtspanischen Parlamentswahlen im März im Baskenland erstmals mit der PNV gleich. Eine nicht nationalistische Mehrheit scheint erstmals in der Geschichte der baskischen Autonomie möglich. Hinter den Kulissen sucht die PNV verzweifelt nach neuen Kontakten zur ETA.
„Ibarretxe hat längst aufgehört, Regierungschef aller Basken zu sein“, beschwert sich die nicht nationalistische Opposition. Anstatt weiter nach Wegen zu suchen, um erneut mit ETA ins Gespräch zu kommen, müsse die Autonomieregierung „dafür sorgen, dass alle Bürger die vollen Freiheiten genießen“, heißt es in einer Erklärung.
Die Politiker der spanienweit agierenden Parteien und ihre Anhänger fühlen sich im Stich gelassen. Kaum eine Nacht vergeht ohne separatistische Brandanschläge. Die neue Dimension: Als Ziel dienen nicht mehr nur die Kommunalpolitiker der spanienweit agierenden Parteien, sondern auch deren Verwandte und Bekannte. So wurde in Amorebieta ein Häuserblock mit acht Wohnungen in Brand gesteckt, nur weil dort die Schwester einer ehemaligen sozialistischen Gemeinderätin lebt. „Treten wir sie aus dem Baskenland“, rufen Plakate zur politischen Säuberung. Die baskische Autonomiepolizei ermittelt die Täter nur selten.
REINER WANDLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen