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Ein bitterer Beigeschmack

betr.: „Hardthöhe wird weich“ (Verteidigungsminister Scharping rehabilitiert schwulen Offizier), taz vom 8./9. 4. 00

In der Sache mag die Einigung zwischen dem Soldaten Stecher und dem Verteidigungsministerium ein Sieg auf dem Weg von Rehabilitation und Emanzipation von Schwulen und Lesben in unserer Gesellschaft sein. Doch es bleibt ein bitterer Beigeschmack, resultierend aus der Tatsache, dass ein homosexueller Mann sich ausgerechnet einem heterosexuell-männlich-imperativischen Verein andient. Insofern hat dieser Fall beispielhaften Charakter für große Teile der Community: Diskriminierung wird auf eine naive Art empfunden, und auf eine ähnlich naive Art bemüht man sich um Ausgleich von Ungerechtigkeiten auf der Benutzeroberfläche, ohne tiefergehend durch Emanzipationsbemühungen zur positiven Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beizutragen. Der Fall Stecher und sein Ausgang lassen einmal mehr den Verdacht aufkommen, dass gerade aus der Elterngesellschaft verstoßene Schwule sich noch mehr darum bemühen, Teil der Elterngesellschaft zu sein – einer Gesellschaft, die bewusstlos für sich das Recht in Anspruch nimmt, nicht nur Schwule, sondern auch andere Menschen nach variablen Kriterien zu gruppieren und dementsprechend zu behandeln. Ein Pyrrhussieg!?

EVERHARD HOFSÜMMER, Köln

Schwule und Lesben sind auf dem Weg zu völliger Gleichberechtigung ein gutes Stück voran gekommen. Das Beispiel des Oberleutnants Winfried Stecher wird viele von uns ermutigen, selbstbewusster aufzutreten und gesellschaftliche Anerkennung einzufordern. Es zeigt auch, dass die Beharrlichkeit Einzelner und das stetige Eintreten schwul-lesbischer Initiativen für ihre Rechte entscheidend zum notwendigen Umdenkungsprozess beitragen. [...]

Für die anstehende Debatte über die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften kann diese Entscheidung nur hilfreich sein. Wir fühlen uns in unserer Arbeit bestärkt und begrüßen den Sinneswandel des Verteidigungsministers als hoffnungsvolles Signal. REINER NEUMANN, Vorstandsmitglied des Rat & Tat

Zentrums für Schwule und Lesben e.V., Bremen

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