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Rotkäppchen und die Wölfe

In Sachsen-Anhalt spielt der beste Basketball-Aufsteiger, den es in Deutschland je gab. Nach dem 73:92 im zweiten Spiel gegen Frankfurt droht Weißenfels aber das Saisonende

aus Weißenfels MARKUS VÖLKER

Der Wolf im Märchen der Brüder Grimm ist ein böser Geselle. Er lauscht das Rotkäppchen nach der Adresse der Großmutter aus, schickt die Kleine zum Blumenpflücken, unterdessen verleibt er sich die Alte ein. Doch damit nicht genug. Das listige Raubtier hat noch immer Appetit. Um auch noch das Rotkäppchen zu verspeisen, schlüpft er in die Rolle der kranken Großmutter. Das schlimme Treiben beendet erst der Jägersmann. Er schlitzt den Bauch auf und wirft den Vielfraß in den Brunnen. Dann steigt eine Party.

Der Wolf im Weißenfelser Land hat nichts mit dem Fabelwesen gemein. Er ist lieb und brav, redlich und artig. Das Basketballteam des SSV Weißenfels suchte vor zwei Jahren nach einem bissigen Begleittier und wurde bei der Spezies Canis lupus fündig. Seitdem heißt die Sporthalle Wolfsbau und der Fanklub Rudel. In Verkennung der Friedfertigkeit der sachsen-anhaltinischen Unterform des nächtlichen Jaulers schrieben manche Zeitungen, die Wölfe hätten den Gegner mit Haut und Haar verschlungen, er hätte sich in den Gängen des Baus verirrt, oder der Wolf hätte die Zähne gezeigt. Der aber knurrt nur ein bisschen, was immerhin gereicht hat, um diverse Teams der ersten Bundesliga zu verstören.

Auf dem sechsten Platz beendete Weißenfels die Runde. Sie spielten die beste Saison, die je einem Aufsteiger gelang, besser auch als Würzburg im Vorjahr, und da hat ein Gutteil der Saison ein gewisser Dirk Nowitzki mitgespielt. Die Korbschützen in Weißenfels heißen Spradley, Roschnafsky, Henry, Ensminger oder Harrison. Nur Insider kennen sie. Aber als Team sind sie enorm stark.

Es ist sogar so, dass Spieler mit ausgeprägtem Artverhalten aus der Gemeinschaft ausgesondert werden. Wie Pressesprecher Holger Gemmer verrät, musste der enorm talentierte Aufbauspieler Cecil Egwuatu in der Winterpause den Verein verlassen, da er auf dem Parkett zu einer Art Werwolf mutierte. Die Fingernägel sprießten, die Haare wuchsen. Derlei Sonderformen sieht man in Weißenfels nicht gern, dort, wo auf unauffällige Fleißarbeit Wert gelegt wird und die Hackordnung dem Prinzip der Egalität gewichen ist.

Da ist es nur konsequent, dass der Manager Wolf heißt. Ingo Wolf. Ein hochgeschossener Mann, was heißt, dass er mal Basketball gespielt hat, wie auch Trainer Frank Menz, bei Alba Berlin sogar. Und der Sponsor Joachim Stumpf hat und hatte stets seine Finger drin, ging es um Basketball und Baumärkte.

Die Superlative haben Hochkonjunktur. Wenn vom Saisonverlauf die Rede ist, dann müssen die Attribute grandios, fantastisch, sensationell, riesig herhalten. Der Stolz über das Erreichte ist „furchtbar groß“ (Wolf), selbst wenn am Ende die Kräfte erlahmen. Im Viertelfinale der Play-offs gegen die Frankfurt Skyliner steht es in der Best-of-five-Serie 2:0 für die Hessen. Heute dürfte sich in der Frankfurter Ballsporthalle das Schicksal der Underwolves beschließen. Menz sagt zwar, die Serie könne man noch immer gewinnen, aber wer sein Team am Mittwochabend in der Dessauer Robert-Bosch-Halle bei der 73:92-Niederlage gesehen hat, zweifelt an Menz’ Zweckoptimismus.

Die Frankfurter, die ohne zwei verletzte Center (Vianini, Guarasci) antraten, spielen zur Zeit ihren besten Basketball. Aus dem Feld trafen sie 63 Prozent ihrer Würfe. Von neun Dreiern wurden acht versenkt. „Wir haben alle gestaunt, wie stark Frankfurt gespielt hat“, sagte Menz. „Wie können sie nur schlagen, wenn wir sehr stark spielen und sie ein wenig schwächeln.“ In der Hauptrunde noch hatte Weißenfels die Frankfurter zwei Mal (80:79; 68:64) besiegt. Koch: „Das war in der Hochzeit der Belastung durch die Nordeuropäische Basketballliga, das wäre sonst nicht passiert.“ Weißenfels sei aber eine „Mannschaft, die sich nie selbst schlägt“, vor der er „größten Respekt“ habe, die „sehr smart“ sei.

Doch, smart sind sie, die Weißenfelser Wölfe. Manager Wolf hegt die Hoffnung, Frankfurt werde nun im Überschwang „das eine oder andere Bier zischen“ und also im nächsten Match „einbrechen“. Die domestizierten Wölfe von der Elbe trinken nämlich nur Mineralwasser, auch nach Siegen.

Die übrigen Viertelfinalspiele: Brandt Hagen – Alba Berlin 68:63 (Stand: 1:1), MTV Gießen – Bayer Leverkusen 82:75 (Stand 1:1), Herzogtel Trier – Telekom Baskets Bonn 60:69 (Stand 1:1)

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