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Verbotenes wird interessant

betr.: „Lebe wild und gefährlich“,taz vom 25. 4. 00

Die Ausführungen der Bundesdrogenbeauftragten Christa Nickels enthalten zweifelsohne viel Richtiges und Wahres. [...] Dennoch sollte ein Teil ihrer Ausführungen nicht unwidersprochen bleiben, zumal sie auch ganz wesentliche und wichtige Tatsachen der inhumanen Auswirkungen der gegenwärtigen Drogenpolitik verschweigt!

So übersieht sie völlig die Führerscheinproblematik, das heißt die Verlagerung der Repressions- und Sanktionsandrohungen und deren Umsetzung vom Strafrecht weg hin zum Verwaltungsrecht mittels Führerscheinentzug! Nachdem die Strafrechtssituation sich durch das Urteil des Bundesverfassungstgerichts 1994 etwas entspannt hat, hat die alte Bundesregierung still und leise durch die Hintertür noch schnell eine Verschärfung im Straßenverkehrsrecht eingeführt! Mittels der seit dem 1. 1. 99 geltenden Fahrerlaubnisverordnung (FeV) wird KonsumentInnen illegalisierter Drogen grundsätzlich die Fahrtauglichkeit erst mal abgesprochen, sobald der Konsum bekannt wird; und zwar unabhängig davon, ob ein direkter Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr vorliegt, das heißt ob jemand unter Drogeneinfluss beziehungsweise berauscht am Straßenverkehr teilgenommen hat oder nicht!

Dass hier Handlungsbedarf vorliegt – gerade auch für eine Bundesdrogenbeauftragte –, dürfte einsichtig sein!

Die von ihr angesprochenen (mindestens) 200.000 Menschen, die täglich Cannabis konsumieren, sind in aller Regel keine behandlungsbedürftigen Suchtkranken, sondern „ganz normale“ Menschen, die unter Beweis stellen, dass ein kontrollierter, das heißt auch sozial und kulturell integrierter Gebrauch von Cannabis als Genussmittel nicht nur möglich, sondern die Regel darstellt. Dass hier auch das Strafrecht nichts zu suchen hat, sollte auf der Hand liegen.

Frau Nickels verschweigt in ihrem Beitrag, dass das Strafrecht nach wie vor den allergrößten Schaden für Gebraucher illegalisierter Substanzen anrichtet; egal ob es sich dabei um suchterzeugende oder nicht suchterzeugende Drogen handelt. Sie spricht dies nicht in der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit aus, das heißt sie spricht sich nicht ausdrücklich für die Zurücknahme der Strafmöglichkeiten des BtMGs aus! Dies widerspricht nicht nur der Vernunft, sondern auch dem Programm ihrer Partei. [...] Wenn schon der Koalitionsvertrag eine Legalisierung von Cannabis nicht zulässt, so ist aber von einer „grünen“ Drogenbeauftragten zu erwarten, dass sie bestimmte Sachverhalte klar und deutlich ausspricht. [...] MARTIN REDIKER, Grüne Hilfe Netzwerk e.V., Lippstadt

[...] Menschen haben in allen Gesellschaften zu allen Zeiten Drogen genommen und werden das auch in Zukunft tun, sei es aus Spaß, aus Gruppendruck, aus religiösen Motiven, aus Leidensdruck oder Neugier.

Die Motive sind ebenso verschieden wie die stoffspezifischen Wirkungen in Verbindung mit den wiederum individuell unterschiedlichen Dispositionen. Und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung schert alles über einen Kamm. Grässlich.

Wenn sie anerkennt, dass Drogen aller Art genommen werden, bleiben als politisch beeinflussbar nur noch die Konsumbedingungen übrig. Verbote erzeugen überteuerte Produkte zweifelhafter Qualität und belasten die persönliche Situation derer, die sie nehmen. Das, was sie als scheinbar vernünftige Herangehensweise zu verkaufen versucht, ist doch nur wieder ein armseliges Gehampel um „Drogen“ und „Sucht“, wobei diese imaginäre schiefe Ebene in den „Abgrund“ nicht aus der Argumentation verschwindet, sondern bloß neu instrumentalisiert wird. [...]

Sicherlich gibt es gute Gründe, „keine“ Drogen zu nehmen. Verbote machen Dinge allerdings bloß zusätzlich interessant. Deshalb ist die erwähnte „peer support“ ein zentraler Punkt in allen Präventionsbemühungen und weit wirkungsvoller als jede der lächerlichen „Anti-Drogen“-Diskos, wo es selbst bekifft kaum auszuhalten ist. Glaubwürdige Prävention muss bei Kultur ansetzen. Und das heißt auch, Drogen als Faktoren im sozialen Leben ernst zu nehmen. Dann wird es leicht, Ansätze von Missbrauch selbst zu erkennen: Wer lauwarmes Dosenbier trinkt, hat möglicherweise ein Alkoholproblem, denn er kann nicht mal warten, bis es kalt ist ...

Solange allerdings das Hauptinteresse der Konsumenten darin liegen muss, sich vor der Strafverfolgung zu schützen oder der bloße Besitz einer Substanz schon als Indiz für „Missbrauch“ gewertet wird, kann es soziale Stabilisierung durch Kultur nicht geben. Und ein Staat, der jedes Jahr knapp 30 Milliarden Mark an reinen Drogensteuern einnimmt, soll sich bitte nicht über die paar hundert Millionen aufregen, die in die birnige Drogenwerbung fließen. [...]

JENS JENETZKY, Bielefeld

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