Wettrennen um das menschliche Genom

Hugo, die internationale Genomorganisation, feiert einen Etappensieg. Die rasche Veröffentlichung der Gensequenzen soll verhindern, dass die US-Firma Celera ein Monopol für das menschliche Erbgut erhält

BERLIN taz ■ Der Streit um die Frage, wer die Lorbeeren einheimsen darf, als erster das menschliche Genom entschlüsselt zu haben, spitzt sich weiter zu. Erwartet wird, dass das von Craig Venter geleitete US-amerikanische Sequenzierunternehmen Celera Genomics in den nächsten Tagen schon verkündet, als erster das menschliche Genom entschlüsselt und die einzelnen Erbgutfragmente korrekt zusammengesetzt zu haben.

Doch auch bei Hugo, der international operierendem Human Genome Organization, laufen die Vorbreitung für eine Veröffentlichung auf Hochtouren. „Bis spätestens Ende Mai“, so berichtete gestern der Jenaer Professor André Rosenthal auf einer Pressekonferenz des Deutschen Humangenomprojekts in Berlin, „soll von Hugo ebenfalls ein erste „Arbeitsfassung“ über die Rohdaten des menschlichen Genoms vorliegen“. Die beiden konkurrierenden Projekte nehmen für sich in Anspruch, jeweils rund 90 Prozent der drei Milliarden DNA-Bausteine analysiert zu haben.

Das mit öffentlichen Geldern finanzierte Human Genom Projekt feierte jetzt einen Etappensieg. Seit gestern Abend ist auf den Internetseiten des Wissenschaftsmagazin Nature (www. nature.com/genomics) die Buchstabenabfolge des Chromosoms 21 abrufbar. Das mit 33.546.361 DNA-Bausteinen kleinste menschliche Chromosom wurde von einem deutsch-japanischen Hugo-Team analysiert. Insgesamt sechs Arbeitsgruppen mit rund 300 Personen waren an der Aufklärung des Chromosoms beteiligt. Es ist das zweite menschliche Chromosom, dessen Daten fast vollständig analysiert öffentlich und frei verfügbar vorliegen. Nach den Angaben der Wissenschaftlerin Marie-Laure Yaspo vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin ist das Chromosom 21 zu 99,7 Prozent aufgeklärt. Die Daten seien mehrmals überprüft worden, so dass die Humangenetiker von einer 99,99-prozentigen Genauigkeit ausgehen.

Celera hingegen, so Rosenthal, könne diese Sicherheit nicht bieten. Die nach wie vor nur in Umrissen bekannten Ergebnisse würden gravierende Lücken aufweisen. Rosenthal geht davon aus, dass Celeras Genomdaten noch rund 40.000 weiße Flecken aufweisen. „Auf das Chromosom 21 übertragen“, so Rosenthal, „heißt das 400 Lücken.“

Rosenthal glaubt auch nicht, dass Celera überhaupt in der Lage ist, die analysierten 60 Millionen Genom-Teilchen korrekt zusammenzusetzen. Das Unternehmen wird dazu auf die von Hugo veröffentlichten Daten zurückgreifen müssen.

Der Jenaer Humangenetiker wehrt sich dagegen, dass Celera seine Gene patentieren lassen will. Die Rohdaten des Genoms müssten frei verfügbar sein. „Gott sei Dank“, so Rosenthal, „sind die Gespäche zwischen Hugo und Celera über eine Zusammenarbeit geplatzt“. Celera wollte seine Daten für ein halbes Jahr unter Verschluss halten, um sie selbst auswerten zu können. „Mit der Veröffentlichung“, sagte Rosenthal, „verhindern wir, dass Celera Patente auf die Gensequenzen anmelden kann.“

WOLFGANG LÖHR