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Mental und so

3:0 bei Absteiger Bielefeld, aber die Bayern können nicht mehr aus eigener Kraft Meister werden wollen

BIELEFELD taz ■ „It’s time to say goodbye“, schallte es bereits vor dem Anpfiff aus den Mikrofonen ins Rund der Bielefelder Alm. Doch was wie eine provozierende Abschiedsmelodie für die Meisterschaftshoffnungen der Münchener klang, war nur eine höfliche Geste des Stadionsprechers: Der wollte lediglich die zum Saisonende scheidenden Spieler mit der gebotenen Höflichkeit verabschieden.

Anders, natürlich, die Münchener: Wenn schon ein Gegner wie Leverkusen zum Saisonfinale die besseren Karten in der Hand zu halten wagt, so sollen die doch wenigstens spüren, dass bis zur allerletzten Minute die Meisterschaft nur über den FC Bayern führt. Von einem Ausflug in die Bielefelder Provinz lässt man sich da schon gar nicht beirren. Schließlich waren sie nach Ostwestfalen gekommen, um Christoph Daums Leverkusenern zu zeigen, dass sie auch nach Pokalsieg und Champions-League-Aus gewillt sind, bis zum letzten Spieltag ein gehöriges Wörtchen im Titelrennen mitzureden.

Dem entsprachen die 90 Minuten. Im sicheren Gefühl, auf allen Positionen die besseren Spieler zu haben, ließen die Bayern Ball und Gegner laufen, gingen entschlossener in die Zweikämpfe und kontrollierten so von Beginn an die Partie. Und da sie ihre konditionellen Reserven zuletzt ohnehin genug strapaziert haben, machten sie mit den Arminen, ganz das Kaninchen vor der Schlange, kurzen Prozess.

Ein Tor von Salihamidzic, zwei Mal Elber nach Vorarbeit von Effenberg, und das Spiel war schon vor der Pause entschieden. Die 2. Hälfte glich eher der Dramatik eines Spiels vor dem Videotext mit bewegten Bildern im Hintergrund, als der von Live-Fußball im Stadion. Denn interessant war eigentlich nur noch der Blick auf die Anzeigetafel, auf der die aktuellen Zwischenstände aus Leverkusen eingeblendet wurden.

Obschon die drei Bayer-Tore, die nach und nach angezeigt wurden, die Bayern nicht gerade zuversichtlich für das kommende Wochenende gestimmt haben dürften, gab es nach dem Abpfiff durchweg zufriedene Reaktionen im Münchner Lager. „Die Mannschaft hat wieder einmal Charakter gezeigt. Wir haben hier nicht nur kämpferisch, sondern auch spielerisch sehr gut ausgesehen und genau zum richtigen Zeitpunkt die Tore gemacht“, freute sich Ottmar Hitzfeld und vergaß als echter Gentleman auch den gebeutelten Gegner nicht: „Ich wünsche den Bielefeldern mit ihrem Trainer Hermann Gerland viel Glück für den Wiederaufstieg.“

Der mit so viel Mitgefühl Bedachte hingegen war stinksauer. Wie so oft in der laufenden Saison haderte Gerland, ein erklärter Freund von bedingungslosem Einsatzwillen, mit der an Fatalismus grenzenden Trägheit seiner Elf. „Wenn man vor ausverkauftem Haus gegen die Bayern spielen darf, müssen einem die Haare hochgehen, und ab geht die Post. Das habe ich bei uns wieder einmal vermisst“, polterte Gerland.

Nach langen Erklärungen für den Abstieg seines Teams war ihm eh nicht zumute. „Der Fußball wird sowieso viel zu sehr verkompliziert. Die ganze Sprache mit mental und so gefällt mir schon nicht. Man muss Tore schießen und Tore verhindern. Wir haben zu wenige geschossen und zu viele kassiert.“ Punkt.

Die Sieger machten hingegen keinen Hehl daraus, dass für sie die Saison absolut noch nicht abgeschlossen ist. Natürlich wissen die Bayern sehr genau, dass ihnen als einzige Chance ein Ausrutscher der Leverkusener in Unterhaching bleibt, und dass dies bei der derzeitigen Form der Bayer-Elf recht unwahrscheinlich ist. Wer sich aber eigentlich schon per Vereinsname von Gottes Gnaden als Deutscher Meister prädestiniert sieht, den hindert auch das nicht, bis zum Schluss Optimismus zur Schau zu tragen. „Ich habe immer gesagt, dass wir am letzten Spieltag Meister werden. Und dabei bleibe ich“, meint Keeper Kahn. Und Uli Hoeneß weiß: „Wenn Unterhaching gewinnt, sind wir Meister.“ Hoeneß hat dabei jedoch vergessen, mental oder so, dass die Bayern so ganz nebenher auch noch ein Spiel haben. MICHAEL BECKER

Bielefeld: Ziegler - Stratos, Meißner, Klitzpera - Bode, Hofschneider (59. Peeters), Weissenberger, Böhme (79. Rydlewicz), Maul - van der Veen (79. Wichniarek), LabbadiaMünchen: Linke, Lizarazu - Fink, Effenberg (73. Strunz), Salihamidzic - Sergio (83. Wiesinger), Elber (59. Scholl), Santa Cruz Zuschauer: 27.600Tore: 0:1 Salihamidzic (28.), 0:2 Elber (32.), 0:3 Elber (42.)

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