ROT-GRÜN STREITET UM ARBEITSERLAUBNIS FÜR ASYLBEWERBER: Eine Frage der Kultur und der Würde
Es ist schon absurd: Mittelständische Unternehmer in Baden-Württenberg und Bayern appellieren an die Regierung, ihre bosnischen Handwerker behalten zu dürfen. Ostdeutsche Spargelbauern sind sauer darüber, dass sie nicht genug polnische Erntehelfer einsetzen dürfen. Hotel- und Gaststättenbetreiber würden sofort AsylbewerberInnen als SpülerInnen einstellen, wenn es nur erlaubt wäre. Jobangebot und Arbeitssuche, das jedenfalls zeigt sich an diesen Beispielen, sind nicht nur statistisch zu betrachten. Die Jobnachfrage ist auch eine kulturelle Angelegenheit – doch darüber zu reden ist tabuisiert.
Bauern klagen, dass es schwierig ist, deutsche Arbeitslose für bestimmte Saisonjobs zu gewinnen. Auch Restaurantbesitzer jammern, dass sie kaum deutsche Küchenhelfer finden. Dabei weist die Arbeitslosenstatistik genug ungelernte Erwerbslose aus. Doch für 1.600 Mark den ganzen Tag Töpfe zu wienern und zu putzen ist für hiesige Arbeitslose unattraktiv. Der Job hat keine Zukunftsaussichten, der Unterschied zum Arbeitslosengeld besteht bestenfalls aus wenigen hundert Mark. Es ist eine subjektiv ganz andere Situation, ob man als älterer Langzeitarbeitsloser, der vielleicht früher mal eine Berufsausbildung gemacht hat, als Spüler in einer Küche landet, ohne Hoffnung auf einen besseren Job – oder ob man als jüngerer Asylbewerber mit ein paar hundert Mark die Familie in der Heimat unterstützen kann, ein paar Mark beiseite legt und von einem eigenen kleinen Geschäft träumt. Obwohl der gleiche Job, wird er völlig unterschiedlich erlebt. Auch das ist Globalisierung.
Genau deswegen fruchtet es wenig, deutsche Langzeitarbeitslose gegen ausländische Zuwanderer auszuspielen. Es bringt auch nichts, laut über die pauschale Kürzung von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe nachzudenken. Das Arbeitsamt hat schon genug individuelle Sanktionsmöglichkeiten durch die Sperrung von Leistungen. Stattdessen sollte es die Politik offen aussprechen: Asylbewerber sollen hier auch arbeiten können. Ohne lange Wartezeit. Auch das ist eine Tatsache: 1997 bezogen fast eine halbe Million Asylbewerber in irgendeiner Form Sozialhilfe, die meisten davon waren männlich und jung. BARBARA DRIBBUSCH
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