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Goldkettchen und Pflichterfüllung

■ Der 6. Stormarn-Cup für C-Jugendteams hilft dem FC St. Pauli bei der Standortbestimmung

Vor kurzem wurde es fertig gestellt: das topmoderne Nachwuchsleistungszentrum von Bayer 04 Leverkusen. Drei kurz geschorene Rasenplätze mit Flutlichtanlage, dazu ein Gebäudetrakt mit Behandlungs- und Massageräumen sowie Entmüdungsbecken – kurzum: alle Vorzüge, die ein Profikicker zum Glücklichsein braucht, genießen ab sofort auch die Bayer-Eleven. Der Preis: stolze 5,5 Millionen Mark. Dimensionen, von denen weniger liquide Vereine wie der FC St. Pauli nicht einmal zu träumen wagen.

Immense Summen, wie sie die Topklubs von Leverkusen bis München in ihren Unterbau investieren, werden am maroden Hamburger Millerntor auch nie im Tresor liegen. Dieser millionenschweren Professionalität begegnet der Zweitligist indes mit einer umso engagierteren Förderung und Betreuung der vereinseigenen Talente. Ungeachtet der unprofessionellen Ausbildungsbedingungen – die Jugendkicker der Braun-Weißen müssen wegen fehlender Rasenplätze beispielsweise nach wie vor auf rotem Grand üben – konnten bereits diverse Spieler, wie Ivan Klasnic, Zlatan Bajramovic oder Christian Rahn den Sprung aus der eigenen Jugend in den Profikader oder zumindest ins Amateur- und Regionalligalager verwirklichen. Ein attraktiver Grund dafür: Ehemalige Lizenzspieler wie Joachim Philipkowski (Amateure), Jürgen Gronau (A Jugend), Dirk Zander (B-Jugend), Torsten Fröhling (C-Jugend) und Volker Ippig (Torhüter) wurden als Jugendtrainer und gleichzeitg Vorbilder für den Nachwuchs verpflichtet.

Doch wie gut ist der eigene Nachwuchs wirklich? Zumindest in den unteren Altersklassen bis zu den C-Junioren, wo der innerstädtische Punktspielbetrieb die dominierenden Teams des FC St. Pauli und Hamburger SV nur selten zu Höchstleistungen zwingt, helfen hochklassig besetzte Jugendturniere, wie dieser Tage der 6. Internationale Stormarn-Cup für C-Jugendteams, bei der Bestimmung der eigenen Leistungsgrenzen. Seit Mittwoch sind in Bad Oldesloe, Bad Segeberg und Bergedorf 30 Mannschaften, darunter der FC Bayern München, Hertha BSC Berlin, Sparta Prag und IFK Göteborg am Ball.

„Es ist unglaublich, auf welch hohem Niveau hier technisch und spielerisch gezaubert wird“, zeigt sich Paulis Coach Torsten Fröhling insbesondere von der Leistungsstärke der Leverkusener und der Dortmunder Borussen beeindruckt. Die 13- bis 14-Jährigen spielen Doppelpässe aus dem Bilderbuch und demonstrieren bereits Raumdeckung nach Plan. Vorjahressieger SV Werder Bremen reiste gar mit fünf aktuellen Nationalspielern an.

Derweil wussten auch die Talente des FC St. Pauli zu überzeugen. In der Vorrundengruppe trafen sie unter anderem auf den Erstliga-Nachwuchs von Eintracht Frankfurt (0:0) und des VfL Wolfsburg (1:1). Ob das für den Sprung ins Achtelfinale reichte, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Auch im Umgang mit den Zuschauern oder leistungsschwächeren Gegnern zeigen die Teenager mancher Bundesligisten ihre ausnehmende Klasse. Da kann es schon mal vorkommen, dass Treffer überhaupt nicht bejubelt, sondern als lästige Pflichterfüllung angesehen werden. Ersatzweise nestelt so mancher lieber das Goldkettchen zurecht und straft seinen Gegenspieler obendrein mit bösen Blicken. „Viele in diesem Alter heben ab“, weiß etwa Michael Reschke, Jugendleiter bei Bayer 04 Leverkusen. Die Clubs würden außerdem mit horrenden finanziellen Zuwendungen ihren Teil dazu beitragen. Diese Gefahr läuft der FC St. Pauli glücklicherweise nicht. Immerhin in diesem Punkt ist man weltweit allen Vereinen einiges voraus.

Oliver Lück

Heute ab 10 Uhr Achtelfinale im Travestadion in Bad Oldesloe und im Eintrachtstadion in Bad Segeberg (u.a. FC Bayern München, SV Werder Bremen, Borussia Dortmund, AC Sparta Prag, Bayer 04 Leverkusen, Hertha BSC Berlin, IFK Göteborg, Hamburger SV); Sonnabend ab 10 Uhr Viertelfinale/Halbfinale in Oldesloe; Sonntag ab 9.15 Uhr Endspiele in Oldesloe

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