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Neue Kathedralen

Der Katalog ist besser als die Ausstellung über Museums-neubauten in den Deichtorhallen  ■ Von Hajo Schiff

Architektur soll dienen. Daher die moderne Forderung, die Form habe der Funktion zu folgen. Doch inzwischen scheint Architektur zum reinsten Ausdruck als Baukunst erst dann zu finden, wenn die Funktionsvorgaben möglichst gering sind. So zeigt die ungewöhnlich große Anzahl von Museumsneubauten in aller Welt seit etwa 25 Jahren „erstaunlich reine Materialisierungen der jeweiligen Architekturhaltungen ihrer Autoren“, wie es Architekturprofessor Vittorio Magnago Lampugnani ausdrückt. Zusammen mit Angeli Sachs hat er die etwas pathetisch betitelte Ausstellung „Museen für ein neues Jahrtausend – Ideen, Projekte, Bauten“ zusammengestellt, die seit Mittwoch in der südlichen Deichtorhalle zu sehen ist.

Der Ausstellungsort gehört als erst 1989 von Josef Paul Kleihues zum Kunstmuseum umgebautes Markthallengebäude selbst zum Museumsboom der Achtziger und Neunziger Jahre, genau wie der in der Ausstellung behandelte weiße Würfel der Hamburger Galerie der Gegenwart. Insgesamt werden in dieser Wanderausstellung anhand von Zeichnungen, Plänen, Fotos und Originalmodellen 25 Bauprojekte in aller Welt vorgestellt. Bis 2003 tourt sie international durch elf Museen. Darunter sind sinnigerweise gleich fünf Neubauten, die in eben dieser Ausstellung vorgestellt werden.

Der Reiz der Paarung der zur Zeit laufenden Hauptausstellungen zum Hamburger Architektur Sommer in den Deichtorhallen liegt darin, dass auf der einen Seite die Architekten zeigen, was sie für die Kunst tun können und auf der anderen Seite in der Ausstellung „HausSchau“ die von Zdenek Felix ausgewählten Künstler zeigen, was sie mit Architektur anfangen können. Dabei zeigt sich, dass noch die karrieregeilsten Künstler weitaus weniger eitel sind, als die Architektenstars. Denn denen scheint es bei den selbstverliebten Entwürfen der neuen Repräsentanztempel ziemlich egal zu sein, dass diese zufälligerweise etwas mit Kunst zu tun haben. Und das spiegelt sicher genau die Intention der politischen Auftraggeber wider, die ohnehin lieber Parkhäuser oder Parlamentskantinen, Flughäfen oder auch Kathedralen errichten lassen würden, hätte ihnen nicht irgend jemand vorgerechnet, dass Museumsprunk gut zur Stadtreparatur und als Touristenattraktion funktioniert.

Frank O. Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao hat gezeigt, wie exzellent allein eine solche Institution eine ganze Region aufwerten kann, selbst wenn in dieser faszinierenden Traumarchitektur der Guggenheim-Kunst-Konzern dann so einen künstlerischen Unfug wie „Die Kunst des Motorrades“ zeigen lässt. Aber auch mit vollkommen entgegengesetzten Konzepten fährt die Kunst nicht besser: Oswald Mathias Ungers quadratbesessene Hamburger Galerie der Gegenwart hat es in einer unseligen Verstrickung von bauplatzbedingten Schwierigkeiten, finanziellen Begrenzungen und strikter Anwendung von Proportionsmodulen nur zu durchwegs für die Kunst zu niedrigen und mitunter verwunderlich belichteten Räumen gebracht.

Doch nicht nur Bauten verfehlen manchmal ihren eigentlichen Sinn, sondern auch Ausstellungen. Der große Fehler in dieser fünf-undzwanzigfachen Starschau ist das völlige Fehlen der geringsten Kritik, ja auch nur des Versuchs, eine thematische Diskussion über den Nutzen solcher Architektur in eine Form zu bringen. Dabei wird diese Diskussion ja vielerorts auch außerhalb von Fachkreisen geführt, nicht zuletzt im hochinteressanten und ausführlichen Katalogbuch dieser Ausstellung, als deren einziges Plus dann bloß noch die dreidimensionalen Modelle hervorzuheben sind.

„Museen für ein neues Jahrtausend – Ideen, Projekte, Bauten“, Deichtorhallen (Südhalle), bis 10. September, Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr; Führungen: Samstag und Sonntag, 15 Uhr. Katalogbuch im Prestel-Verlag: 224 Seiten, 400 Abbildungen, in der Ausstellung 39 Mark, im Buchhandel 98 Mark

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