brautechnisch korrekte themenparty:
von KARL WEGMANN
„Die dritte, eindeutig!“ – „So’n Quatsch! Die vierte Disc ist viel besser.“ Willy und ich streiten uns, welche CD aus dem Grateful-Dead-Boxset „So Many Roads“ die beste ist. Im Fernseher laufen die ersten Minuten des Vorrundenspiels Holland gegen Tschechien, null zu null, es passiert zwar nicht viel, aber Hermann starrt trotzdem gebannt auf den Bildschirm.
Dann kommen Konscho und Bernd rein, entdecken die Flaschen und gehen gleich ran. „Pfui Teufel, was sauft ihr denn da?“ Konscho verzieht nach dem ersten Schluck angewidert das Gesicht, Bernd macht Würgegeräusche und wird ganz rot. „Cranberry-Bier“, verkünde ich stolz. „Wie, was, Cranberry“, Konscho versteht nicht, „diese kitschige Popgruppe hat ihr eigenes Bier?“ – „Nee aus Holland“, erklärt Willy, „hat Karl von Terschelling mitgebracht, ist angeblich ’ne Spezialität da oben.“ – „Schmeckt wie dieses klebrige Zeug, dass sie über Eisbecher schütten“, analysiert Bernd. „Ihr spinnt ja“, meint Konscho, „hättet ihr nicht wenigstens Grolsch oder Amstel kaufen können, anstatt diese Erdbeerbrause?“ „Preiselbeer-Brause“, korrigiere ich. „Und was wollt ihr saufen wenn Norwegen spielt?“, fragt Konscho empört, „Lebertran?“ – „Als Kind musste ich immer Lebertran mit Fruchtgeschmack trinken“, erzählt Bernd und studiert das Flaschenetikett, „das schmeckte so ähnlich wie das Zeug hier.“
„Apropos“, sagt Konscho, „Ingrid hat Geburtstag und veranstaltet eine 60er-Jahre-Fete. Wir sind alle eingeladen. Ich glaub, ich geh aber nicht hin, ich hasse Themenpartys“. Alle bis auf Hermann nicken zustimmend. „Themenpartys sind total negativ“, macht Konscho weiter, „ich war mal auf ’ner 70er-Jahre-Party, hatte aber keine Ahnung, dass ich mich verkleiden musste und sie haben mich nur reingelassen, weil ich langes Haar hatte. Die anderen Jungs hatten alle modische Kurzhaarfrisuren, aber hinter ihren Ohren steckten Plastikblumen, perlenbestickte Stirnbänder um die Eierköppe und Batik-T-Shirts für die Hühnerbrust. Das fanden die enorm lustig. Ich hab’ zwei Flaschen Rotwein geklaut und bin schnell wieder raus.“
„Dabei ist eine gemütliche Party doch so einfach zu gestalten“, meint Willy, „Fußball in der Glotze, ein Kasten Bier, vielleicht noch ein paar Erdnüsse, et voilà, das nenn’ ich eine gelungene Themenparty.“ – „Wieso?“, fragt Bernd; „was soll denn das für’n Thema sein?“ – „Na Thema Sport!“, behauptet Willy. „Du meinst . . .“ Bernd ist nicht überzeugt. „Na klar“, sagt Willy, „guck dich doch um, ist doch ’ne prima Party. Wir gehen sogar auf die kulturellen Spitzfindigkeiten der spielenden Mannschaft ein, und Hermann hat ein orangefarbenes T-Shirt an . . . Das ist eine politisch voll korrekte Themenparty.“ – „Das T-Shirt war aber vor drei Jahren noch rot“, werfe ich ein, stimme ihm aber sonst voll zu.
Wir trinken inzwischen selbstverständlich richtiges Bier. Tschechien macht jetzt Druck und lässt die Holländer alt aussehen, da passt die Kiste Budweiser vom Timing her genau. Nur Hermann zieht sich weiter das lauwarme holländische Fruchtbier rein. Beim ungerechten Elfmeter für Oranje liegt er dann im Koma. Wir anderen lassen Tschechien und seine Brauereien hoch leben und beschließen, zu Ingrids Geburtstag zu gehen. Themenpartys sind nämlich gar nicht so schlecht. Man muss sie nur richtig aufziehen.
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