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Guga ganz groß

Gustavo Kuerten ringt im hochklassigen Finale der French Open Magnus Norman erst nach dem 11. Matchball nieder

BERLIN dpa/taz ■ Zehn Mal war der Titel nur einen Punkt entfernt, zehn Mal wehrte Magnus Norman den Matchball von Gustavo Kuerten ab. Erst im elften Anlauf siegte der Brasilianer mit 6:2, 6:3, 2:6, 7:6 (8:6), nachdem der Schwede eine Vorhand knapp neben die Linie gesetzt hatte. „Jedesmal dachte ich, jetzt habe ich ihn endgültig, aber dann ging es weiter und weiter,“ sagte Kuerten. „Wir hätten es beide verdient gehabt.“

Der 23-Jährige holte sich bei den French Open in Paris zum zweiten Mal nach 1997 den Titel, was ihn zu der Bemerkung veranlasste: „Hier bin ich wieder.“ Boris Becker überreichte dem Sandplatzspezialisten auf dem Court Central den Coupe de Mousquetaires. Norman, nach der Niederlage minutenlang ins Handtuch vergraben, gratulierte: „Gustavo hat gewonnen und ein tolles Spiel gemacht, er ist die Nummer eins, und ich bin nur noch enttäuscht.“

Im letzten Akt des Endspiel-Dramas, das über 3:44 Stunden dauerte, wehrte der Schwede nervenstark Matchball um Matchball ab, und selbst einen 0:3- sowie 3:6-Rückstand im Tiebreak des vierten Satzes egalisierte er prompt. Es reichte dennoch nicht. Norman war am Boden zerstört, denn mit dem Triumph des Gegners zerronn auch die Aussicht, auf den ersten Platz der Weltrangliste zu klettern.

„Besseres Tennis als in diesem vierten Satz habe ich noch nie gesehen“, lobte Boris Becker. Für Norman nur ein schwacher Trost: „Ich wünschte, ich könnte das Match noch einmal spielen“, sagte er, der sich selbst als Langweiler bezeichnet und mit Martina Hingis liiert ist, und räumte ein: „Ja, es stimmt, nach dem Matchball habe ich mein erstes Racket zertrümmert.“

Kuerten, von seinen Anhängern liebevoll „Guga“ genannt, hielt trotz Schmerzen in den Beinen und im Rücken durch. Mehrfach musste er behandelt werden. „So schlimm war es nicht“, meinte er hernach. Schlimm seien aber die anstrengenden Fünf-Satz-Matches gegen Jewgeni Kafelnikow und Juan Carlos Ferrero gewesen, die ihm noch in den Knochen steckten.

Nach grandiosem Sandplatz-Tennis hing Kuertens Erfolg letztlich aber doch am seidenen Faden. „Den ersten Matchball habe ich klar im Aus gesehen. Aber der Schiedsrichter fand das nicht“, erzählte er und erkannte darin den Grund für die folgenden Fehlleistungen.

„Ich wollte schon ans Netz gehen, Magnus die Hand reichen und mich feiern lassen.“ Aber es kam anders, nicht zuletzt, weil Norman „die Punkte machte, mehr als dass Kuerten sie verlor“. Neun weitere Fehlversuche leistete sich der Brasilianer, und Erinnerungen wurden wach an Michael Stichs ebenfalls neun verschlagene Matchbälle im Daviscup gegen Russland. Doch Kuerten behielt die Nerven und sah seelenruhig zu, wie Norman den elften schließlich ins Aus returnierte.

„Jetzt habe ich bewiesen, dass ich ein großer Tennisspieler bin“, jubelte Kuerten und durfte für seinen zweiten Grand-Slam-Titel im zweiten Finale 642.400 Dollar einstreichen. Norman musste sich mit der Hälfte begnügen und kündigte zwei Wochen vor Wimbledon an: „Ich will beweisen, dass auch ich das Zeug zum Grand-Slam-Sieger habe.“

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