: Wir sind Familie . . .
. . . egal in welche Wüste die Reise geht. Giant Sand spielen im Columbia Fritz
Mit Giant Sand verhält es sich wie mit guten, alten Bekannten, die man aus den Augen verloren hat und plötzlich wieder trifft: Man fremdelt erst und braucht ein bisschen Zeit, um wieder einen gemeinsamen Draht zu finden. Doch dann ist alles wie früher. Reden, trinken, schöne Musik hören, bis spät in die Nacht – auch nach fünf Jahren noch.
Ungefähr so lange hatte man von den gern auch als „Wüstenrockern“ bezeichneten Giant Sand nichts Entscheidendes mehr gehört. Ihr Mastermind Howe Gelb tauchte zwar mal hier mit einem Solo-Album („Hisser“) und dort auch bei Lisa Germano in einem Bandprojekt namens OP 8 auf. Doch das war nichts im Vergleich zum kreativen Output von Giant Sand Ende der Achtziger bis Mitte der Neunziger, als die Band mindestens zwei Alben pro Jahr herausbrachte und genauso oft auch auf Tour war.
Weil man in Deutschland plötzlich Musik wie Neo-Folk, Post-Folk, Wüstenrock und ähnliches entdeckt hatte und dementsprechend liebte, lief es auch für Howe Gelb und seine Band (mit den Calexico-Leuten John Convertino an den Drums und Joey Burns an allen möglichen Instrumenten als Kernbesetzung) besser als in den Staaten. Sie kamen aus Tucson, Arizona, kannten die verlorenen Highways und erzählten komische Geschichten von komischen Leuten. Und sie waren ein ziemlich großer Haufen: Zu Howe Gelbs Community gehörten und gehören Leute wie Susan Cowsill (Ehefrau von Peter Holsapple, ex-dBs, Cowsills), Victoria Williams, Juliana Hatfield (Blake Babies, Lemonheads), Chris Cacavas (Green On Red), der 1997 an einem Hirntumor verstorbene Rainer Ptacek, Vic Chesnut, Pappy Allen und noch einige mehr.
So wie man nie wusste, in was für einer Besetzung Giant Sand die Bühne betreten und was für Stücke sie spielen würden, so wusste man auch auf den Alben von Giant Sand, Howe Gelb oder der Band of Blanky Ranchette nie, wohin die Reise ging: Hier Country, dort Gedaddel, hier Sonic Rock, dort Folk. Manchmal klang das dunkel und traurig, gothic geradezu, dann wieder abgedreht, nach Speed Metal gar. Höhepunkte waren da auf dem 92-Album „Ramp“ die „Bob Dylan“-Schreie von Gelbs Tochter Indiosa und ihr „Patsys Blues“.
Howe Gelb mochte es nie leiden, festgelegt zu sein, als Wüstenrocker bezeichnet zu werden oder gar unter Klassikerverdacht zu stehen. (Und Klassiker sind nun einmal Alben wie „The Love Songs“ oder „Long Stem Rent“ und auch eine ganze Reihe von Songs). Gelb stellte sich lieber vor, eine Mischung aus Neil Young, Thelonious Monk, Lou Reed und Willie Nelson zu sein. Oder eben völlig baden zu gehen und sich im Sand vergraben zu lassen.
Für die längere Pause gab es wohl mehrere Gründe: der Tod von Howe Gelbs ältesten und besten Freund Rainer Ptacek; Zweifel an der eigenen künstlerischen Arbeit; der große Erfolg von Burns und Convertino mit Calexico; und zu guter Letzt auch Probleme mit der Plattenfirma V2: Diese schloss mit Giant Sand einen Vertrag über zwei Alben ab, droppte sie dann aber nach längerem Hin und Her wieder.
Ein Fehler, klar. Denn das neue, bei diversen „Sessions“ in Tuscon, New York und Memphis entstandene Album „Chore of Enchantement“ klingt im Vergleich zu den Giant-Sand-Alben der frühen Neunziger geradezu geordnet und Songs wie „(well) Dusted (for the millenium)“ oder „No Reply“ so schön und ergreifend, dass man Gelb nichts anderes als herzen, umarmen, knuffen und immer wieder hochleben lassen möchte. Man sollte sich doch ruhig wieder öfters sehen und hören. GERRIT BARTELS
Heute abend ab 20.30 Uhr, Columbia Fritz, Columbiadamm 8–11
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