: Steuerreform kommt
Regierungskoalition und SPD-Länder einigen sich auf einen geringeren Satz für die Spitzensteuer und mehr Vergünstigungen für den Mittelstand
BERLIN rtr/taz ■ Was gestern vor dem Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag aus den Räumen von SPD und Grünen drang, bestätigte die Gerüchte der letzten Tage: Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wird seinen Entwurf zur Steuerreform modifizieren. Gemeinsam mit beiden Koalitionsfraktionen und den SPD-Ländern hat er einen Vorschlag entwickelt, der heute, am zweiten Tag der Vermittlungsrunde, vorgelegt werden soll.
Darin besteht Eichel zwar weiterhin darauf, dass die Dividendenbesteuerung – die sich die Union zuletzt zur Herzenssache gemacht hat – vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren umgestellt wird. Dafür kommt er aber den Forderungen des Koalitionspartners und einiger SPD-Ministerpräsidenten nach mehr Vergünstigungen für den Mittelstand und einer geringeren Spitzensteuer nach.
Laut SPD-Steuerexperte Joachim Poß läuft alles auf ein „unechtes“ Vermittlungsergebnis hinaus: Rot-Grün könnte den Kompromissvorschlag mit seiner Mehrheit im Vermittlungsausschuss durchsetzen. Im Bundesrat müssten dann das sozial-liberale Rheinland-Pfalz und mindestens zwei große Koalitionen, etwa Berlin oder Brandenburg, zustimmen. Die Entscheidung dürfte Dienstag fallen.
Der Vorschlag sieht vor, dass Sonder- und Ansparabschreibung, die wichtige Steuervergünstigungen für den Mittelstand darstellen, erhalten bleiben. Damit würde Eichel 735 Millionen Mark weniger einnehmen. Beim Einkommensteuertarif werden zwei Varianten diskutiert: Nach dem ersten Modell soll der Spitzensteuersatz wie geplant bei 45 Prozent bleiben. Dafür soll er aber statt bei rund 99.000 erst bei 110.000 Mark greifen. Nach der zweiten Variante wird er auf 43 Prozent gesenkt, die obere Progressionszone steigt nur auf 102.000 Mark. Für die erste Variante spricht, dass sie nach früheren Berechnungen des Bundesfinanzministeriums nur 7 Milliarden Mark kostet, während für die zweite 11,7 Milliarden Mark notwendig wären.
Da das Gesamtpaket nicht teurer als die bislang geplanten 45 Milliarden Mark werden soll, wird das Optionsmodell gestrichen, nach dem Personenunternehmen entscheiden können sollten, ob sie wie AG oder GmbH den festen Körperschaftssteuersatz von 25 Prozent oder weiterhin Einkommenssteuer zahlen wollen. Das ist genauso wenig überraschend wie die Einschränkung, dass Veräußerungsgewinne von Kapitalbeteiligungen nur dann steuerfrei werden sollen, wenn die Beteiligung mindestens sieben Jahre alt ist. Die Wahlfreiheit, die fünf bis acht Milliarden Mark gekostet hätte, war zu kompliziert. Bei den Veräußerungsgewinnen drohte Missbrauch. BW
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