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Reiche Aidskranke leben länger

Edwin Cameron aus Südafrika ist schwul, HIV-positiv, reich genug für Medikamente – und redet darüber. Ein seltenes Beispiel von Offenheit auf der Welt-Aids-Konferenz

DURBAN taz ■ Er war einer der Ersten, die das Schweigen brachen. Im April 1999 hatte Edwin Cameron öffentlich erklärt, dass er schwul und HIV-positiv sei – während er sich um einen der höchsten Posten bewarb, die Südafrika zu vergeben hat. In der Anhörung um das Amt eines Verfassungsrichters saßen die Kollegen Camerons verlegen herum. Am Ende wurde der geschätzte und hochqualifizierte Jurist zwar berufen. Seinem Beispiel der Offenheit ist bislang jedoch kein anderer Prominenter oder gar Politiker in Südafrika gefolgt.

Auf der derzeit im südafrikanischen Durban stattfindenden 13. Welt-Aids-Konferenz avancierte Cameron nun zum Star und erhielt die Aufmerksamkeit, die er verdient hat. „Das Schweigen brechen“ lautet schließlich das Motto der Mammuttagung, die am Sonntagabend mit einer enttäuschenden Rede des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki eröffnet worden war. Im Gegensatz zu Mbeki jedoch bekam Cameron für seine deutlichen Worte am Montag stehende Ovationen. „Ich stehe hier vor Ihnen, weil ich reich bin“, sagte Cameron. „Meine Anwesenheit zeigt die Ungerechtigkeit von Aids in Afrika. Auf einem Kontinent, in dem 290 Millionen Menschen täglich mit weniger als einem Dollar auskommen müssen, kann ich mir die monatlichen Behandlungskosten von rund 400 Dollar leisten.“

Zugleich fand Cameron höchst deutliche Worte für das Lavieren Südafrikas in der Aidsfrage. „In meinem eigenen Land hat eine Regierung, die sich Menschenrechten und Demokratie verschrieben hat, bei der Bekämpfung der Pandemie bei so gut wie jeder Gelegenheit versagt.“ Zwar wies die südafrikanische Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang die Kritik anschließend beleidigt zurück. Doch ob es den Gastgebern gefällt oder nicht – ihre Politik sorgt auf der Konferenz täglich für neue heftige Kontroversen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung ist der Ruf nach billigeren Medikamenten. 60 Milliarden US-Dollar würde es nach den jetzigen Preisen kosten, allein jenen derzeit 12 Millionen HIV-infizierten Menschen, die besonders dringend behandelt werden müssten, die nötigen Medikamente zukommen zu lassen, so eine gestern vorgestellte Studie des Londoner Panos-Instituts. Um mindestens 95 Prozent, so Martin Foreman, der Direktor des Aidsprogramms von Panos, müssten daher die Kosten für die gängigen Mittel gesenkt werden, damit sie in der Dritten Welt angewandt werden könnten.

Doch die derzeitigen Päpste der Aidsforschung, die US-Amerikaner David Ho und Anthony Fauci sowie der Brasilianer Mauro Schechter, räumten gestern ein, dass die in den Industrieländern gängigen antiretroviralen Medikamente nicht die erhoffte endgültige Heilung gebracht haben. Das Virus könne in so genannten Reservoirs überleben und vermehre sich wieder, sobald die Behandlung abgesetzt wird, selbst wenn es vorher nicht mehr im Blut messbar war, so der Tenor. Die Aufmerksamkeit müsse deshalb der Langzeittherapie und einer periodisch unterbrochenen Behandlung gelten, die billiger sei und auch weniger Nebenwirkungen habe.

KORDULA DOERFLER

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