Legende am Ende

Jahrelang wetterte die „Unità“ gegen die Welt der Bosse. Jetzt läuft das Konkursverfahren, und die Bosse von Benetton zeigen sich interessiert

aus Rom MICHAEL BRAUN

Ganz wie in alten Zeit liest sich dieser Tage die Unità. Da erfährt man von Bossen, die ihre Mitarbeiter drangsalieren, die Stellen streichen, ja vielleicht den ganzen Laden dichtmachen wollen. Und da liest man vom Widerstand der „lavoratori“, von kämpferischen Betriebsversammlungen, da werden Solidaritätsadressen und Aufrufe zur Gründung eines Unterstützerkomitees abgedruckt.

Und doch ist nichts wie früher: Diesmal sitzen die Bosse, gegen die die Unità anschreibt, im eigenen Haus. Dass es dem Traditionsblatt der italienischen Linken schlecht geht, wissen die Redakteure nur zu gut. Jetzt aber droht sogar das komplette Aus für die frühere Parteizeitung der italienischen Kommunisten; am Donnerstag beschloss die Eigentümerversammlung – zu den Eignern gehören neben der KPI-Nachfolgepartei der „Demokratischen Linken“ zwei private Investoren – die Liquidation des Unità-Verlags. Vor 74 Jahren von Antonio Gramsci gegründet, war die Unità in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg weit mehr als eine Funktionärspostille. Der legendäre KPI-Vorsitzende Palmiro Togliatti hatte sich einen „Corriere della Sera des Proletariats“ gewünscht, und er bekam ihn. Die Unità war flächendeckend in ganz Italien an den Zeitungsständen zu haben, wochenends trugen Parteiaktivisten mit Tür-zu-Tür-Verkauf dazu bei, eine Auflage von knapp 300.000 zu erreichen.

Heute dümpelt die Unità bei einer verkauften Auflage von 50.000 und produziert Monat für Monat 2,5 Millionen Mark Minus. Der Niedergang begann Anfang der 90er-Jahre, als die KPI Abschied vom Kommunismus nahm und sich als „Demokratische Linke“ neu gründete – viele Lesern kehrten der Unità wie der Partei den Rücken. Das frühere „Organ der KPI“ mutierte nun offiziell zum unabhängig-linken Blatt. Eigentümer aber blieben die Linksdemokraten, die immer wieder hineinfunkten, wenn es die Unità mit ihrer Unabhängigkeit zu weit trieb.

So wurden die Chefredakteure fast im Jahreswechsel verschlissen, so gab es eine Blattreform nach der anderen – und so schwankte die Zeitung zwischen frechen Tönen und parteifrommer Information. Derweil ging die Auflage in den Keller. Mittlerweile wissen die Linksdemokraten, was sie mit der Unità vorhaben: Sie wollen das Blatt komplett loswerden. Neue Investoren sollen her.

Gut möglich, dass demnächst Großkapitalisten im früheren Kampfblatt der Arbeiterklasse den Ton angeben; die Rede ist von Benetton oder vom Miederwarenhersteller Robe di Kappa, die angeblich nach dem Rausschmiss von gut der Hälfte der 120 Redakteure den schlanken Neuanfang wagen wollen. Sollte diese Lösung scheitern, dann bleibt wohl nur eine Alternative: dann wird die Unità wohl endgültig Konkurs anmelden.