themenläden und andere clubs: Von zu viel Drogenexperimenten bekommt man Schüttelfrost und wird blind und undankbar
„Hassemanochgeldfüressen?“
Beim letzten Mal, als ich richtig viel Haschisch konsumiert hatte (wenn ich mich recht erinnere, in Form von übelriechenden, grün-gräulichen Plätzchen), steckte ich stundenlang an einer Osnabrücker Kreuzung auf dem Bürgersteig in einem imaginären Ring aus Wasserflecken fest, den ich mich nicht traute zu verlassen.
Jeder, der an diesem Nachmittag am Musikhaus Bössmann vorbeifuhr, sah mich dort stehen und wie einer dieser bekloppten Mimen mit den Händen gegen die imaginäre Wand drücken. Ich bin nicht so viel später aus der Stadt weggezogen, unter anderem darum. Außerdem habe ich Aussehen und Geschlecht geändert. – Im gleichen zarten Alter, das ich damals mein Eigen nannte, befand sich auch der drogenexperimentierfreudige Punk, der früher immer in meiner Stammkneipe schnorrte. Ein wirklich reizendes Exemplar Punk, mit verschleierten, langbewimperten Augen und langgliedrigem Körper, meistens allerdings zu einer Art Knotenoma verwickelt. Der Süße schlurfte meist voll wie eine Haubitze in die Bar und sagte „Hassemanochgeldfüressen?“ Und ich, empathisch wie ich bin (eine schlimme Eigenschaft, manchmal habe ich sogar Harald Juhnkes Kater), steckte ihm hin und wieder ein paar Mark in sein schmalbrüstiges Hemd. Eines Abends gab ich ihm ein Mars, das ich mir gerade gekauft hatte, und er, anstatt sich zu freuen, sagte: „Ey, ich bin allergisch gegen Mars, ich will ein Snickers!“. So un- dankbar können Drogen einen machen.
Drogen machen ja normalerweise blind oder Schüttelfrost (jedenfalls dieses selbst gepantschte Zeug, polnische Suppe). Wobei mir einfällt, dass neulich eine offensichtlich blinde, vielleicht sogar durch polnische Suppe erblindete Dame im Kino hinter mir saß, ausgerechnet in „Eyes Wide Shut“. Vermutlich weil sie nichts sehen konnte (so genau war das im dusteren Kino nicht zu erkennen), musste ihre Freundin ihr die ganze Zeit laut erklären, was auf der Leinwand passiert. „Und jetzt geht Nicole Kidman zum Spiegel, und jetzt grinst Tom Cruise doof“ etc.
Ich war fast geneigt, nach hinten ins Dunkle zu rufen: „Ey, sind Sie blind oder was?“, hatte aber Angst, ein patziges „Ja, na und? Haben wir Blinden kein Recht auf Kino-Atmosphäre?“ zurückzukriegen. Darum habe ich auch nichts gesagt. Sondern schreibe stattdessen hinterrücks diese Kolumne, in der Hoffnung, die blinde Tom-Cruise-FanIn (ähem) kriegt das hier nicht mit. Wenn doch, soll sie doch anrufen! Ich hab keine Angst!
JENNI ZYLKA
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