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Schönefeld landet vorm Kadi

Hochtief will gegen seinen Rausschmiss aus der Vergabe des lukrativen Flughafenneubaus durch alle Instanzen klagen. Ein Erfolg würde zu weiteren Verzögerungen führen. Flughafenplaner verschnupft

von RICHARD ROTHER

Das Verfahren um die Privatisierung der drei Berliner Flughäfen und den Bau des neuen Großflughafens in Schönefeld ist erneut ins Trudeln geraten. Völlig überraschend verkündete gestern der Essener Baukonzern Hochtief, gegen seinen Ausschluss aus dem lukrativen Großprojekt durch alle Instanzen klagen zu wollen.

Die Baulöwen haben den Zeitpunkt dramaturgisch geschickt gewählt. Auf den Tag genau vor einem Jahr hatte das Brandenburger Oberlandesgericht die Hochtief-Privatisierung für ungültig erklärt – wegen verschiedener Verstöße gegen das Vergaberecht. Im Februar dieses Jahres hatte die für die Privatisierung verantwortliche Projektplanungsgesellschaft PPS die Essener aus dem Verfahren ausgeschlossen. Die PPS verhandelt jetzt mit dem Konkurrenz-Konsortium um die Bonner Immobiliengruppe IVG um den Zuschlag für das Acht-Milliarden Projekt.

Dagegen hat nun das Hochtief-Konsortium, dem unter anderem die Bankgesellschaft Berlin und die Frankfurter Flughafen AG (FAG) angehören, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg eingereicht. „Wir wollen den Großflughafen bauen“, sagte Hochtief-Vorstandsmitglied Wolfhard Leichnitz gestern. Nach den bisherigen Planungen soll der neue Großflughafen im Jahr 2007 in Betrieb gehen.

Die Hochtief-Offensive könnte den Zeitplan aber erneut gefährden. Denn die PPS darf bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung über den Ausschluss keinen rechtskräftigen Vertrag mit dem IVG-Konsortium abschließen. Bis Jahresende wollen die Flughafenplaner den Vertrag unterschriftsreif haben. Mindestens ebenso lange dürfte ein Gerichtsverfahren dauern, das sich an das Nachprüfungsverfahren anschließen würde.

Sollte Hochtief Erfolg haben, wären die Verhandlungen auf den Stand von 1998 zurückgeworfen. Wahrscheinlich ist, dass die IVG dann ebenfalls klagen würde. Die Konkurrenten, die sich spinnefeind sind, könnten sich ewig gegenseitig blockieren. Selbst bei einer außergerichtlichen Einigung, die Hochtief gestern ins Spiel brachte, dürfte es zu Verzögerungen kommen.

Die Essener jedenfalls sind von ihrem Erfolg überzeugt. Dass im Flughafen-Krimi einiges möglich ist, hat das Oberlandesgericht vor einem Jahr bewiesen. Auch damals hatte kaum jemand mit der Annullierung der Privatisierung gerechnet.

Zudem gehen die Essener mit ihrer jetzigen Offensive ein Risiko ein, das sie sich wohl überlegt haben dürften. In einem Gerichtsverfahren würden die Ausschlussgründe öffentlich auf den Tisch kommen. Sämtliche Vorwürfe gegen das Hochtief-Konsortium, so Leichnitz, beruhten auf „Vermutungen, Verdächtigungen und Spekulationen“. Dies werde man der Vergabekammer haarklein darlegen. Insider hatten im Flughafenkrimi von Industriespionage und illegalen Methoden gesprochen.

Die Flughafenplaner reagierten gestern verschnupft. Intensive Recherchen hätten eine Reihe von Verstößen gegen das Vergaberecht durch Hochtief und die FAG aufgedeckt, hieß es in einer PPS-Erklärung. Diese Verstöße seien durch die parallel laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bestätigt worden. Diese habe das Verfahren im April nur deshalb eingestellt, weil durch den Ausschluss von Hochtief kein Vermögensschaden entstanden sei, so ein PPS-Sprecher. Im Klartext: kein Schaden, kein Betrug. PPS-Geschäftsführer Michael Pieper drohte gestern denn auch, er werde „die lückenlose Dokumentation unserer Erkenntnisse der Vergabekammer oder auch dem Oberlandesgericht zur Verfügung stellen“. Die Schlammschlacht hat begonnen.

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