: Der Kachelmann muss ran!
So wird die Saison, die wird (Teil 5: Bayern München): Ausgerechnet mit Kleckern statt Klotzen will der Meister nicht nur den Titel verteidigen, sondern es den Geisteskranken Europas zeigen
von THOMAS BECKER
Der FC Bayern wird hundert und es regnet. Einfach so. Profan, was? Ausgerechnet, als es daran ging, zum Ende der sportiv-exklusiven Geburtstagsparty namens „Opel-Masters“ die lieben Gäste zur Siegerehrung noch einmal aufs Feld zu holen, erinnerten sich die Wetterschaffenden über dem Münchner Olympiastadion endlich daran, was die Meteorologen vorhergesagt hatten: sintflutartige Regenfälle. Zwar machten die Delegierten von Real Madrid, Manchester United und Galatasaray Istanbul unterm Regenschirm auch noch spät am Abend gute Miene zum feuchten Spiel, nahmen brav die potthässlichen Pokale im Empfang, aber gedacht werden sie sich haben: Putzig, dieser FC Bayern, bei uns Großen mitspielen wollen, aber noch nicht einmal das Wetter in den Griff kriegen.
Nun scheint auch in Europas Fußballfinanzparadiesen nicht immer die Sonne. Andererseits ist Vereinen wie Real Madrid, FC Barcelona, Lazio Rom und Konsorten durchaus zuzutrauen, dass sie noch ein paar Milliönchen lockermachen, um noch einen Superstar einzustellen, der sich ausschließlich ums passende Wetter kümmert. Mach dich ran, Kachelmann! Der FC Bayern macht den derzeit europaweit grassierenden Transfer-Rüstungs-Wahnsinn nicht mit. Auf Schuldenbasis Erfolg haben kann jeder, sagt FCB-Finanzboss Uli Hoeneß: „Für Geisteskrankheiten habe ich nicht viel übrig.“ Zwar werden die Münchner, was den jährlichen Umsatz (247,5 Millionen Mark) betrifft, in Europa nur noch von der AG Manchester United übertroffen (263,4 Millionen), was aber für die gerne als Geldsäcke der Liga bezeichneten Bayern kein Anlass ist, mit dem Erwirtschafteten verschwenderisch umzugehen.
Ein ums andere Mal rechnet Hoeneß vor, wie oft man in der vergangenen Saison mit der Spartruppe das schwer reiche, aber mit einer halben Milliarde Mark verschuldete Real Madrid bezwungen hat, verweist immer wieder auf die Klub-Weltrangliste, die der FC Bayern vor Madrid und Lazio Rom anführt. Wie die Internationale Föderation für Fußball-Statistik (IFFHS) die Münchner dahin gerechnet hat, bleibt allerdings ein Fußball-Mysterium. Fakt ist, dass Real den FCB im Champions-League-Halbfinale in den Urlaub schickte und der letzte große europäische Titelgewinn der Bayern aus dem Jahr 76 des vergangenen Jahrhunderts datiert.
Egal, der deutsche Meister und Pokalsieger hält Kurs: kleckern statt klotzen. Und liegt damit im Bundestrend. In der Liste der 20 Vereine, die vor dieser Saison am meisten Geld in neue Spieler investiert haben, ist die Bundesliga nicht vertreten. Lazio Rom führt die Liste mit 198 Millionen an, vor dem AC Parma (180) und Real Madrid (168). Hoeneß gab 25 Millionen Mark für Verstärkungen aus – so viel plant man in Madrid in etwa für den Platzwart ein. Die Neuen – Chiriaco Sforza (Kaiserslautern) und der Franzose Willy Sagnol vom AS Monaco – sind denn auch eher punktgenauer Ersatz für die Abgänge Matthäus und Babbel als Investition in neue Spielsysteme.
Mit Matthäus hat sich der Libero aus München verabschiedet: Hitzfeld lässt eifrig Dreier- und Viererkette üben. Mit bislang gehörigem Erfolg: Egal ob Liga-Cup oder Geburtstagsturnier, die Bayern sind schon in einer erstaunlichen Form. Während andere über müde Beine und zu kurzen Urlaub klagen, spielen die Bayern wunderbar leichtfüßigen Fußball: 5:1 gegen Hertha BSC, jeweils 3:1 gegen Galatasaray und am Samstag gegen Manchester. Wer soll diese Bayern stoppen, fragt die besorgte Konkurrenz – mittlerweile ein gewohntes Ritual in der Bundesliga, vor dieser Spielzeit aber eine noch berechtigtere Frage.
Beim FCB passt derzeit alles: Lautsprecher Lothar M. ist weit weg, die Hierarchie geregelt, der Kader laut Mehmet Scholl „bis zur Nummer 18 oder 19 gleichmäßig stark besetzt“, das ewige Talent Alexander Zickler im Torrausch (erneut zwei tolle Treffer gegen ManU), die Jungspunde Owen Hargreaves (Scholl: „Der wird besser als ich“) und Antonio di Salvo mehr als nur 80.-Minute-Einwechsel-Spieler. Und die richtig Guten fehlen ja noch verletzt: Elber, Effenberg, Jancker, Sergio. Wenn alle gesund sind, wird Ottmar Hitzfeld beim Brüten über der Aufstellung ganz schön ins Rotieren kommen.
Und das mit dem Wetter, das kriegen die auch noch hin, die Bayern.
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