: London hin und zurück nur 200 Mark! Wer kleine Extras will, muss blechen können
Mind the Time-Gap
Schnäppchenjäger und SSV-Sammler fliegen dieser Tage gern nach London, um zu shoppen. Wo es am sauteuersten für schwache Euro-Tauscher ist, sind „noch mal 70 Prozent runter“, richtig viel Geld. Sparen fängt am Airport an. Also fliege ich für 200 Mark mit Buzz von Tegel nach London-Stansted. Buchen kann man nur telefonisch oder per Internet. Auch wenn dort die Adresse nicht zu finden ist. Buzz spart eben an allem – besonders radikal aber am Bordservice. Die Besatzung trägt pseudohippe lila-gelbe Windjacken bei der Arbeit. Die besteht aber fast nur noch aus der gestischen Verdeutlichung des Rettungsring-Aufblasens. Das traditionelle Wägelchenschieben entfällt. Wer was will, muss blechen.
Mir schien die Einnahme eines englischen Tees angebracht. Der Steward kam mit einem großen Styroporbecher heißen Wassers, platzierte diesen auf meinem Klapptischchen und sagte, einen Teebeutel im Papierbeutel um den Finger gewickelt: „One Pound, please!“ „Sorry, I only have D-Mark and Gulden“ (wegen KLM). Der Steward holt eine Tabelle und sagte verbindlich: 5 Mark. Das fand ich relativ teuer, aber der weitere Euro-Fall ist bei Buzz eben schon eingepreist. Nur hatte ich natürlich kein Kleingeld. Rausgeben konnte der Lilagelbe in keinerlei Währung. Dankend verzichtete ich auf den Tee. „Sorry“, murmerlte der Steward und wickelte den Teebeutel zurück auf seinen Finger. Das heiße Wasser schmeckte auch so ganz lecker.
In London-Stansted, dem Flughafen, wo alle Entführungen enden, wird man in einem führerlosen U-Bahn-Zug durch einen kurvigen Tunnel vom Gate zum Terminal transportiert. Doch sonst ist zu sagen, Stansted liegt nicht gerade in der Londoner City. Die Fahrt dahin dauert eine Dreiviertelstunde und kostet einfach 12 Pfund, an schlechten Euro-Tagen über 40 Mark. Und fünf Tage später ist der Zug schon wieder ein Pfund teurer.
Mein Hotelzimmer ohne Klo und Dusche, Größe etwa 6 Quadratmeter, kostete laut Visa-Abrechnung 148 Mark. Es läge halt „in the heart of London“, wie der Mann hinterm Counter meint. Immerhin – sogar in meinem Sparzimmerchen gibt's einen Wasserkocher und drei Sorten Twinings-Teebeutel.
Nach einem Besuch bei Yo! Sushi (alles auf lila Tellern 3,50 Pfund), wo mir ein rollender Getränkeroboter Kirin-Bier bringt und ich den chinesischen Spielzeughändler Mr. Yap und seine Frau kennen lerne, hatte ich runtergesetzte recht hübsche graue Slipper-Laufschuhe in der Oxford Street gekauft. Weil aber der Londoner wohl eher langsam ist, konnte ich die Schuhe nicht einfach an der Kasse bezahlen. Erst zurück zum Verkäufer, der füllt ein Formular aus, und damit geht’s wieder zur Kasse. Auch hier herrscht streng gewerkschaftliches Tempo. Dann verpasse ich die Tube, die nächste steht ewig im Tunnel, und ich schwitze vor Verspätungsangst.
Im viertelstündlich fahrenden Skytrain („Take Me, I‘m Yours“) in Liverpool Street, meine ich, den Buzz-Flieger noch zu kriegen. Doch beim Jogging zum Terminal reißt eine meiner drei Einkaufstüten. Ich hechle meine beim Telefonbooking notierte Zahlen-Buchstaben-Kombi runter. In 23 Minuten soll Start sein. „You are late, Mr. Becker“, sagt die resolute Lady am Counter. Ich murmle ein Sorry, sie guckt böse, greift zum Hörer. Gate closed! Auch ein mittlerer Aufstand bringt mich nicht an Bord. Ich könne gern neu buchen (und zahlen), für morgen. „Thanks“, sage ich möglichst unhöflich und gehe zum Bierstand.
Später kaufe ich ein Ticket bei Virgin-Express. Das kostet nach Berlin auch nur 39 Pfund, für Flüge am gleichen Tag aber leider stattliche 109 Pfund. Ich erzähle von meinem Schuhschnäppchen, das mich um den Buzz-Flug gebracht hat. „Waren dann ja doch nicht so billig, die Schuhe“ sagt die Virgin-Express-Frau. Ihr Humor gefällt mir. Ich gebe ihr meine Kreditkarte, wieder 350 Mark futsch. Der Virgin-Flieger hat dann dreieinhalb Stunden Verspätung, weil er in Shannon im Nebel steht. Entsprechend spät landen wir in Schönefeld, so dass ich nur noch mit dem Taxi nach Kreuzberg komme (rund 50 Mark). Zu Hause finde ich einen Hotel-Teebeutel in meinem Rucksack. Den hatte ich extra für den Rückflug eingepackt.
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