Engländer in Berlin

Die Geschichte einer Liebe mit Hindernissen als würdiger „Grimme-Preisträger 2000“: „Move on up“ (0.30, ZDF)

„Surprise!“ Mit diesem Wort steht Tommy aus Cardiff plötzlich vor der Tür von Jessie aus Berlin. Und die ist überhaupt nicht amused. „But we had such a great time“, sagt der schlacksige Brite verständnislos. „We had a drunken time“, wir waren nur besoffen, ernüchtert die pragmatische Jessie ihren angelsächsischen Romeo.

Ein Brite in Liebesnöten quält sich durch das sommerliche Berlin, 1996. Es ist, zu allem Überfluss, auch noch EM, und Tommy hat anfangs nicht mal einen Fernseher. Er findet einen Job bei einem kleinen Umzugsunternehmen und schleppt zusammen mit ein paar anderen Männern fortan traurig Kisten treppauf und treppab. Nachts steht er vor Jessies Haustür und holt sich von seinem Urlaubsflirt, den er augenscheinlich um einiges ernster genommen hat als sie, eine Abfuhr nach der anderen. Alex Ross’ Grimme-Preis-gekrönter Film ist eine lakonische Liebesgeschichte, mit authentisch besetzten und agierenden DarstellerInnen.

Der dickliche Umzugskollege offenbart Tommy irgendwann, dass er auch solo ist. „Meine Frau hat mich verlassen, weil ich zuviel trinke.“ „And?“, fragt Tommy. „Now I’m free. Aber sie ist weg . . .“ Noch nie wurde die periodisch wiederkehrende Qual des Umziehens so detailgetreu und gleichzeitig mit so viel Sinn für Komik inszeniert – das ganze Kistenpacken, Schleppen, Auspacken, Sachen zerkratzen und nicht wiederfinden. Dazu die typischen Berliner Umzugshelfer, das besserwisserische Großmaul, der maulfaule Alte, der latent rassistische Angeber, der Tommy (Neil Edmond) ständig aufziehen muss. Und mittendrin der schmale Tommy mit einem gebrochenen Herzen, das ihm ins sprichwörtlich Gesicht geschriebenen ist.

Ross’ Film ist an keiner Stelle übertrieben oder peinlich.

Aber bis die kühle Jessie (Regine Zimmermann) Tommys stete Liebe endlich zu schätzen weiß, hat er sich fast durch die ganze Europameisterschaft geschleppt, hat eine Menge über das Naturell von Berliner Möbelschleppern und umzugswilligen Familien gelernt – und über Frauen sowieso. Ross schafft es, sowohl die Stadt, als auch die Menschen mit so leichter Hand zu inszenieren, dass man die Inszenierung einfach nicht merkt. Er findet eine Sprache, die einerseits nach lakonisch britischen Humor, andererseits aber auch typisch deutsch, typisch berlinerisch klingt.

Außerdem ist da die EM mit ihren symptomatischen und dramatischen Deutschland-England-Begegnungen wunderbar als Nebenhandlungsstrang eingesetzt. Vielleicht sind seine Figuren so glaubhaft, weil sie viel weniger sprechen als in den meisten deutschen Filmen – Ross gibt ihnen und den Zuschauern die Zeit zum Mit- und Hineindenken, zum Mitfühlen. Er lässt sie die Szenen nie totquasseln. „Move on up“ ist ein absolut verdienter Grimme-Preisträger. JZ