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Sehen und Saufen, heute AbendHot Eierschachtel

■ Der Gestalter der legendären taz–Text-collage “Das Montag“ zeigt sein „Früh-werk“ in die Galerie Humboldt-Schlüter

Neulich musste der Kunstverein Humboldt-Schlüter 8.000 Mark in Dämmmaterial investieren und zwei Wochen hart ranarbeiten. Die Nachbarn hatten sich nämlich beschwert wegen einer gewissen nachtruhebehindernden Lärmentfaltung bei den Vernissagenfeten. Ist eben ein Kunstverein der etwas anderen Sorte. Der zentrale Raum ist okuppiert von etwas Wichtigerem als Kunst: einer Pilstheke, deren sagen wir mal tachistische Bemalung den schwerblütigen Charme von Mahagonischlafzimmermöbel versprüht. Doch das hat durchaus Vorzüge: In so einem Raum werden wenigstens keine Albernheiten über die mediale Vermittlung von Kunst durchdiskutiert, sondern ausschließlich Handfestes und Nützliches: zum Beispiel die verschlungenen Ausbreitungswege einer Tripperinfektion. Und fällt das Wort „Text“, flunkert garantiert irgendeiner: Was, du redest von Sex?

In diesem heimeligen, bodenständigen Ambiente zeigt Carl-Heinz Otto Schäfer sein „Frühwerk“. Und das, obwohl er einer ist, der reichlich spät zündete – aber dann gleich richtig und doppelt. Neun Jahre brachte er rum in seinem definitiven Traumberuf – er war Zahntechniker. Mit 24 Jahren griff er zum ersten Mal zum Saxophon, mit 27 zur Malkreide. Zwei Jahre stand er hinter der Theke einer Kneipe in Elsfleth und winkte auslaufenden Matrosen hinterher ehe er sich zu einem neuen Lebensabschnitt entschloss und bei der Bremer Hochschule für Künste anklopfte für den Studiengang Graphikdesign – und sogar genommen wurde. Achzehn der Bilder aus der Bewerbungsmappe sind nun zu sehen, „keine große Kunst, aber vielleicht gute Ideen.“ Als Träger dieser Ideen firmieren nicht wie in der guten alten Fabel Tiere oder gar echte Menschen. Vielmehr zeichnet sich eine klare Vorliebe für Objekte aus dem Toiletten- und Küchenbereich ab, mit Konnotationen irgendwo zwischen Ekel und Ehrlichkeit. Eierschachteln aus braunem Umweltkarton, Klobürsten, Tampons und Rasierapparate sind die treusten Freunde des Carl-Heinz Otto Schäfer. Aus dem Hintergrund grüßen freundlich Kacheln in Rosa, Grün und Hellgelb, den lieblich-widerlichen Farbtönen der 60er Jahre.

Zwischen Boden und Deckel einer Eierschachtel quellen Ketchup, Majonäse und eine Klobürste hervor: ein surreales Hot dog. Oder: Ein TV-Gerät säuft seine Infos aus geordneten Leitungen und kotzt vorne buntes Tohuwabohu aus. „Und jetzt noch ein Aufklärungsplakat“: Zwei verliebte Gummibärchen meinen aidsbewusst: erst Gummi, dann Bärchen. Oder: Eine Heroinnadel bohrt sich in einen lila angelaufenen Herzmuskel – ,bis dass der Tod euch scheidet' – daneben eine Klospülung. „Wer sich für eine Grafikausbildung bewirbt, muss zeigen, dass er plakativ arbeiten kann.“ So pendeln die Bilder ausgelassen zwischen heiter-traurigem Dadaismus und mehr oder weniger political korrekter Botschaft. Am schönsten ist die romantische Szene im Badezimmerschrank zwischen einem Tampon und einem Rasierer; sie haben es sich in einer Kuschelecke aus Schmickwatte gemütlich gemacht: Inbild der ganzen Liebe und geheimen Grausamkeit dieser Welt!

Die silbernen Hasen Jeff Koons schätzt Schäfer mehr als ein Beuys Fetteck. Noch bewegender findet er eine echte Taschenlampe. bk

Humboldtstr. 67, bis 30. 9.; Schäfer meinte mit süffisantem Grinsen, dass es bei der Vernissage, heute um 20 Uhr zu kleinen Sauereien an einer Fensterscheibe kommen wird, doch der hosenlose Galerist gab zu bedenken, diese Information solle nicht in die Zeitung, „weil sonst lauter üble Gestalten antanzen“. Tel.:  75033

ten antanzen“. Tel.:  75033

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